Kamele im März (Kamelgeschichten 5)

Heute mal keine Vorstellung eines Kamels. Ich wollte eigentlich etwas über Klärchen schreiben, sie weigert sich aber und droht mit furchtbaren Vergeltungsmaßnahmen, sollte ich mich nicht daran halten. Komisch eigentlich, dabei ist sie momentan recht friedlich – für ihre Verhältnisse, sollte man relativierender weise dazu sagen. Ich halte mich besser dran. Es ist sowieso gerade ruhig bei den Kamelen. Theo verbindet sich dauernd mit Gustav, die beiden heilen die Welt in merkwürdigen, nicht durchschaubaren Ritualen und finden das überaus wichtig. Was es natürlich auch ist und in diesen Zeiten kann ja alles am Ende nur helfen. Manchmal fängt Theo dabei unvermittelt an zu kichern – scheinbar ist das sowas wie ein schamanisch-kamelisches Heilritual, zumindest würden das Theo und Gustav so nennen, würde man sie darauf ansprechen – diese Kicherkamele! Andere veranstalten Heilgesänge, sie machen Heilgekichere, nun, warum auch nicht? Lachen und kichern kann man eh niemals genug.
Pollix aber ist gerade traurig. Man sieht ihm das immer sofort an, er schaut mit schrägem Kopf und ist sehr ruhig. Wenn Klärchen so ruhig ist, heckt sie etwas aus und man sollte prophylaktisch einen Helm aufsetzen, nicht so bei Pollux. Er braucht dann Zuwendung. Ja, er braucht Schokolade, oder Schokoladenpudding, oder Schokoladentorte. Wenn es schlimm ist, kann man das „oder“ getrost mit einem „und“ ersetzen. Es ist oft schlimm. Jetzt ist es gerade schlimm. Außerdem muss man ausgiebig seinen Hückel kraulen, stundenlang am Besten. Und er möchte (wenn ich sage „er will“ trifft es das besser) nachts mit im Bett sein, das hatten wir uns eigentlich längst abgewöhnt. Es sind aber gerade auch emotional ungewöhnliche Zeiten – eigentlich sind es extreme Zeiten in denen wir uns befinden. Insofern ist auch bei Pollix alles anders als sonst. Bei mir auch. Es sind gerade Zeiten großer Veränderungen, großer Umwälzungen. Das ist sowohl bei mir persönlich so, als auch im kollektiven und eben auch bei den Kamelen. Ich bin gespannt, wohin die Reise geht – natürlich wird es eine Reise mit Kamelen, soviel ist mal klar. Alle gehen wir damit unterschiedlich um, der eine braucht Zuwendung, andere lässt man besser in Ruhe. Wenn man das bloß immer wüsste, wer was gerade braucht? Da lob ich mir das Kamel Pollux, er sagt was er will, sehr deutlich sogar. Als er heute Nacht aus dem Bett fiel, war das Geschrei und Gezeter auf jeden Fall groß und es dauerte, bis sich alle beruhigt hatten. Pollux zählt immer seine Pfoten, wenn er aufgeregt ist – meist kommt er auf sieben. Heute Nacht war er aufgeregt, sieben Pfoten also…nun ja, daran habe ich mich inzwischen auch gewöhnt. Schwierig wird es, wenn er bei Regen an den Strand will – hat schon mal jemand irgendwo sieben sehr kleine Gummistiefel gekauft?

Theo (Kamelgeschichten 4)

Theo ist Pollux‘ Bruder, und er ist das Kamel mit den vielen Gesichtern. Das ist zuerst einmal sehr wörtlich gemeint, seine rechte Gesichtshälfte unterscheidet sich sehr von der linken. Links schaut er stets sehr streng und leicht böse. Auf der rechten Seite sieht er ein wenig verträumt aus. Aber Theo ist auch im Wesen sehr vielseitig. Bevor er zu mir kam (auch im Kamelpaket, wenn ich mich recht erinnere) umgab ihn der Mythos, er habe eine mafiöse Vergangenheit. Natürlich hat er diesen Mythos selbst in die Welt gesetzt, indem er immer von „Betonschuhen“, etc. erzählte. Will man jemanden um die Ecke bringen, fragt man Theo – er fängt anstandslos an, seinen Betonmischer aus dem Schrank zu holen und unheilvolle Melodien zu pfeifen. Angeblich sind schon einige Wesen mit Betonschuhen an den Füssen auf den Grund der Kieler Förde gesunken. Es ist also Vorsicht geboten. Allerdings ist Theo den Klauen der Mafia entkommen und Angst vor diversen Racheakten hat er grundsätzlich immer. Wenn zum Beispiel ein Auto vor der Tür hupt, fängt das stattliche Kamel gern zu zittern an, gibt seine Ängstlichkeit aber niemals zu. Theo ist inzwischen etwas rot- bis violettgesichtig, das könnte daran liegen dass er mal jahrelang auf einem großen roten Kissen vor einem Fenster saß und die Sonne ihn etwas gefärbt hat – möglicherweise leidet er auch unter Bluthochdruck, so genau weiß das niemand.
Seit einiger Zeit verdingt sich Theo auch als spirituelles Kamel und war auch während einer schamanischen Ausbildung einige Tage mit dabei, mit sehr großer Begeisterung, möchte ich sagen. Er hat dort nicht nur viel gelernt, er hat auch alle Anwesenden in seinen Bann gezogen und nebenbei alle Schokoladenplätzchen dort vertilgt.
Vor wenigen Jahren kam das schwedische Kamel Gustav in die Kamelherde. Gustav ist inzwischen Theos bester Freund. Beide haben Hühnergötter um den Hals hängen und streiten, wer den schönsten Stein hat. Das sieht dann so aus, dass beide dauernd ihren Stein zeigen und hören wollen, das es der beste aller möglichen Kamelsteine ist. Dieses Unterfangen kann sowohl lange dauern als auch total und vollkommen nerven! Das ist den beiden aber egal, sie sind sehr ausdauernd bei diesem Thema (wobei Gustav damit angefangen hat, das sei an dieser Stelle gesagt). Theo und Gustl brauen sehr gern große Kessel voller Zaubertrank, ich erwähnte es schon an anderer Stelle. Als mir beispielsweise mal das Knie sehr weh tat, haben sie einen Trank gebraut, sich verschworen und um Knie-Heilung gebeten. Mein Knie tat zwar immer noch weh, dafür wuchs mir eine schicke Langhaarfrisur an eben jenem Knie, mit ca. 50cm langen Haaren. Da die beiden sowas öfter machen, gibt es in Kiel inzwischen Kniehaarfriseure, das dürfte weltweit einmalig sein. Ich vermute, dass die beiden dieses Läden selbst betreiben, denn sie haben erstaunlich große Portemonnaies und Sparkonten. Wenn man Theo und Gustl beobachtet, geben sie sich sehr ernst – fühlen sie sich unbeobachtet, sieht man sie tuscheln und anschließend gemeinsam kichern, sie werden deshalb die Kicherkamele genannt, was sie ziemlich blöd finden und mit strengen Blicken kommentieren.
Das Kamel Theo ist ein sehr stolzes und eigentlich sehr leises Kamel – er liebt das Erdbeerkuchenkamel und es liebt ihn. Dieses kleinste aller Kamele sitzt immer zwischen Theos Pfoten (ja, das heißt bei den hiesigen Kamelen tatsächlich Pfoten, Pollux hat nach eigener Zählung sogar sieben davon!) oder auf seinem Hückel (genau, es heißt hier Hückel und nicht Höcker) und bewundert ihn. Theo mag gern bewundert werden, außer er zittert gerade aus Angst vor Racheakten der Mafia, dann versteckt er sich lieber vor der Welt. Theo ist absolut unbestechlich, das hat er wohl aus der Mafiazeit – im Gegensatz zu Pollix, der für eine Tafel Schokolade schonmal seine Oma verkauft.

(Auf dem Bild sind die besten Freunde Gustav und Theo zu sehen. )