Bedürnisse

Wir alle kennen sie und haben sie: Bedürfnisse. Das ist nun wahrlich keine neue oder bahnbrechende Erkenntnis. Es ist aber interessant, sich das mal anzusehen und darüber nachzudenken, was Bedürfnisse eigentlich sind, woher sie kommen und was ihnen zugrunde liegt, oder liegen kann.
Grundsätzlich gibt es unterschiedliche Arten von Bedürfnissen, das kennt man vielleicht auch aus der Maslowschen Bedürfnispyramide. Natürlich gibt es Hunger und Schlaf als Bedürfnis oder das Bedürfnis nach Sicherheit. Es gibt soziale und inidividuelle Bedürfnisse. Ästhetische und kognitive Bedürfnisse.
Viele psychologische Theorien beschreiben und kategorisieren Bedürfnisse – darüber lässt sich an anderer Stelle ganz sicher besser lesen als hier.

Ich für meinen Teil denke, dass jedem Bedürfnis ein Mangel zugrunde liegt. Eigentlich ist das eine sehr einfache Schlussfolgerung, es steckt da ja der „Bedarf“ im Wort mir drin. Wenn ich beispielsweise müde bin, an Schlafmangel leide, habe ich das Bedürfnis nach Schlaf und Ruhe. Habe ich lange nichts gegessen, ist der Hunger mein Bedürfnis. Dieser physiologische Teil ist einfach – hier sind wir nur selbst betroffen und können (hoffentlich!) unserem Bedürfnis durch eine einfache Tat nachkommen. Überhaupt sei zu sagen, dass einem Bedürfnis oft ein Verhalten, eine Tat folgt – nämlich die Bedürfnisbefriedigung. Oder der Versuch selbiger.

Interessant wird es, wenn es um individuelle und soziale Bedürfnisse geht. Das Bedürfnis nach Nähe, (Körper)Kontakt, Liebe lässt sich ja zum Beispiel nur zusammen mit anderen Menschen befriedigen. Dieses können wir nur bedingt allein beeinflussen, bzw. befriedigen. Natürlich wird es unendlich viele Kompensationen geben, die wir bewusst oder unbewusst zur Bedürfnisbefriedigung  heranziehen – das ist sicher nicht immer schlau, wenn wir zum Beispiel ein Nähebedürfnis dauerhaft durch Essen/Süßigkeiten/Zucker kompensieren. Was aber machen wir damit sonst? Ein Bedürfnis lässt sich nicht wegdiskutieren, es ist einfach da. Man kann sich überlegen, was einem individuellen Bedürfnis eigentlich zugrunde liegt. Warum haben wir das Gefühl, mehr Nähe zu brauchen? Ist es schlicht Einsamkeit, die dahinter liegt? Oder hat es etwas mit unserem Selbstbild zu tun, das wir vielleicht nicht immer mögen? Radikale Akzeptanz dürfte hier helfen, ist aber nicht so leicht zu bewerkstelligen. Ich denke aber schon, dass eine hohe eigene Akzeptanz durchaus dazu führt, dass sich soziale Bedürfnisse besser „halten“ lassen. Man kann sein Tun darauf ausrichten, dass die Möglichkeiten steigen, Bedürfnisse erfüllen zu können – jeder Mensch hat ja grundsätzlich und prinzipiell ein „Recht“ auf Bedürfnisbefriedigung, zumindest würde ich das mal so behaupten. Prinzipiell! Dummerweise sind manche dieser Bedürfnisse eben abhängig von anderen Menschen und da relativiert sich leider das Recht auf Befriedigung selbiger.

Schwierig wird es, wenn man ein Bedürfnis in Bezug auf einen bestimmten Menschen hat. Vermisst man einen ganz bestimmten Menschen und kann diesen, aus welchen Gründen auch immer, nicht sehen oder ihm nicht nah sein, dann gerät man emotional aufgrund dieses Nähemangels in eine Schieflage. In Beziehungen ist das die so vielzitierte Nähe-Distanz-Problematik. Was also tun, wenn das Bedürfnis nach Nähe, bzw. Distanz scheinbar zu unterschiedlich ist? Kommunikation dürfte die einzige Lösung sein. Kompromisse funktionieren nur bedingt, weil sich dann beide „verbiegen“ und von ihren Bedürfnissen abrücken müssen. Bliebe die Idee, die Herkunft eines Bedürfnisses zu erforschen. Worum geht es eigentlich? Was liegt zugrunde? Für mich ist diese mögliche innere Erforschungsreise allemal besser, als in operative Hektik zu verfallen und impulsive Handlungen zur scheinbaren Lösung zu tätigen. Allerdings ist das manchmal wirklich sehr viel leichter gesagt als getan.

Ich habe zum Beispiel derzeit ein recht großes Bedürfnis nach Nähe und Kontakt zu einem bestimmten Menschen. Liegt dahinter ein grundsätzliches Sehnen nach Nähe? Liegt dahinter der Mangel an Kontakt? Bin ich am Ende mit mir selbst gerade nicht gut in Kontakt? Je mehr ich mich zu jemandem hinsehne, desto mehr verliere ich mich selbst. Genau das finde ich auf Dauer unklug – es ist (für mich)  gut, immer aus der eigenen Mitte zu agieren, aus dem eigenen Selbstverständnis sozusagen. Natürlich bleiben dann trotzdem Bedürfnisse – natürlich sind dadurch nicht alle Mangelerscheinen auf emotionaler Ebene gedeckt. Das Bedürfnis nach menschlicher, körperlicher Nähe kann ich allein nicht kompensieren! Aber mit der Nähe zu mir selbst kann ich das vielleicht besser „halten“. Nein nicht AUShalten, eben keine Opferhaltung einnehmen! Sondern den Zustand halten und ihn akzeptieren.

Aus einem Bedürfnis und der Sehnsucht kann auch Schönes entstehen, wenn sie denn nicht dauerhaft unerfüllt bleibt: Liebe. Hach, wie schön ist dieser (vielleicht viel zu simple?)  Gedanke. Ansonsten erfülle ich nun mein Bedürfnis nach Schlaf, das geht immer!