Ein altes Eismonster


Manchmal, ganz leise, ohne dass ich es wirklich bemerke, bringen sich alte und längst vergessene Monster in Position. Sie werden aktiviert durch Begegnungen, Situationen oder unbedachte Worte und nähren sich von Erinnerungen, die in den Tiefen meiner Seele schlummern. Wenn ich nicht aufmerksam und achtsam bin, nehmen die Monster Gestalt an, werden grösser und kriechen mir langsam aber sicher mitten ins Herz hinein.

Dort angekommen friert es mich, schreckt mich, Ohnmacht und Schmerz ereilen mich. Beinahe wie in Kindertagen bin ich unfähig, etwas anderes zu fühlen als das Erschrecken vor der Eiseskälte in meinem Herz. Und die breitet sich aus, die Eiseskälte. Vielleicht fühle ich das leise und unbarmherzige Lachen des Monsters, hören kann ich es nicht. Es ist, als würde sich ein Eispanzer um meine ganze Existenz legen, unfähig noch mit dem Aussen zu kommunizieren, während der Schrecken in mir alles lähmt.

Dieser Zustand ist so sehr bekannt, fast vergessen, aber so vertraut. Nur, anders als früher, es gibt heute auch große Helden in mir, die sich den Monstren entgegenstellen. Mit scharfer Klinge, großem Mut und Weisheit erinnern sie mich daran, dass meine Kindertage schon längst gezählt sind. Zusammen schauen wir dem Eismonster ins Auge, wir stellen es! Statt zu erstarren werden wir endlich offensiv.

Mit einem Schild aus Wärme und Liebe stellen wir uns, der Held in mir und ich, der Gefahr. Die Schwertklinge des Helden besteht aus Lachen und Zuversicht. Gleichzeitig wächst in mir das Vertrauen und so schwindet die Angst und die Ohnmacht.

Es ist kein Kampf. es geht ganz schnell. Das Monster wird ganz klein, mein Herz schnell wieder wärmer. Es fliesst kein Blut, es fällt kein böses Wort. Es bleibt die Erkenntnis, dass ich nur selbst die Verantwortung trage, auch für meine Monstren, auch für das Eismonster.

Das Monster darf bleiben. Der Held auch. Sowie das Kind in mir – ich brauche sie alle. So einfach ist das.

(Bild: Nadia Budde aus “Unterm Bett ist ein Skelett)