Jeder kennt sie, alle wissen etwas über sie, die meisten haben sie selbst: die Sucht.
Man kann nach allem wahrlich süchtig werden, nach Kaffee, nach einem Drink, nach Anerkennung. Man verbindet die Sucht sofort mit dem Wort Abhängigkeit. Man denkt an Genuß- und Rauschmittel. Natürlich ist das Wort in erster Linie negativ besetzt. Also bei mir ist das wenigstens so – aber ich komme, wie so viele andere Menschen auch, aus einer Suchtfamilie. Oft wird behauptet, dass es sogar ein Suchtgen gibt, das über die Generationen weitergegeben wird. Vielleicht ist es (auch?) so, dass vor Allem Verhaltensweisen an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden, ganz schlicht durch das Vorleben von Gewohnheiten, die auch Süchte, das Suchtverhalten beinhaltet. Das ist ein sehr naheliegender, verständlicher und nachvollziehbarer Gedanke. Ich frage mich, ob das jeder Mensch so leicht nachvollziehen kann, oder das etwas mit der eigenen Familiengeschichte zu tun hat?
Es gibt so viele Formen und Arten von Süchten, stoffliche und nichtstoffliche. Menschen können genauso von Drogen abhängig sein, wie von Verhaltensmustern. Internet-, Kauf-, Sex- oder Esssucht wären hier Beispiele. Esssüchte sind eh ein ganz spezielles Thema – bei den meisten Süchten lässt man den Suchtstoff einfach mal weg – beim Essen geht das nicht, da heißt es, einen gesunden Umgang zu entwickeln. Ganz bestimmt nicht einfach.
Als Definition lese ich gerade: wenn das Verlangen die Vernunft besiegt. Das ist Sucht.
Spannend. Das passiert mir sehr oft, schon wenn ich eine Tafel Schokolade öffne, weiß ich, dass ich sie aufessen werde, weil ich nicht aufhören kann. Bin ich deswegen süchtig? Natürlich bin ich süchtig. Gerade im Moment bin ich mitunter ein wenig Sehn-Süchtig! Sehnsucht kann ganz bestimmt (und das weiß ich aus leidvoller Erfahrung) an die eigene Substanz gehen, wenn sie zu lange anhält. Manchmal ist die Sehnsucht aber etwas tolles – wenn man sich nach etwas oder jemandem sehnt und dabei weiß, dass diese Sehnsucht „bald“ erfüllt werden wird. Dann ist es ein warmes Gefühl, eines das Leichtigkeit schafft. In dem Wort Sucht steckt ja auch eine Suche drin – ich suche etwas, das mich erfüllt. Insofern wäre die Schokolade als Beispiel nur eine Ersatzbefriedigung für das, was ich wirklich suche, mir wirklich wünsche. Kann man nach Schokolade Sehnsüchte entwickeln? Wohl kaum. Erfüllung finden wir Menschen in unterschiedlichen Dingen – und das sind meist keinesfalls materielle Dinge. Es kann die Stille sein, die Verbundenheit. Die Liebe. Lust und Leichtigkeit. Eben die Sucht nach dem Leben, nach dem was im Leben wirklich zählt. Lebenssucht oder doch Liebessucht?
Lasst uns also leben und lieben!
Trotzdem darf ich auf gar keinen Fall vergessen, nachher eine gute Schokolade zu besorgen.