Dass es sich bei all diesen Geschichten ein wenig um ein Kasperletheater handeln könnte, dürfte dem einen oder anderen geneigten Leser durchaus schon einmal durch den Kopf gegangen sein. Wer dann der Kasper ist, lasse ich mal im Raum stehen. Ist besser für mich.
Es gibt aber tatsächlich ein Kamel, das sich früher spezialisiert hatte auf diese Form des Theaterspielens: das liebliche Kamel Pollux. Ich hatte das komplett vergessen, bzw. verdrängt, bis ich gestern an einem hiesigen Zirkus vorbeikam und vorsichtig schaute, ob es dort Kamele gibt. Und tatsächlich, es gab nicht nur Doppelhückler, es gab ein Kasperletheater! Das fiel es mir schlagartig wieder ein und ich suchte flott das Weite.
Als wir seinerzeit noch in Hannover lebten, gab es auf der Lister Meile, einer Einkaufsstraße mit vielen kleinen Geschäften unweit unseres Zuhauses, mehrmals im Jahr ein Kasperletheater für Kinder, mitten in der Fußgängerzone. Pollux selbst war der (selbsternannte) Star dieser Aufführungen – er war ganz groß darin, die Kasperletheaterbühne zu seiner Bühne zu machen und hatte (laut eigener Aussage) immer mehrere hochgeschätzte Auftritte pro Tag. Er liebte es, wenn seine Fans ihm zujubelten und ihm huldigten, nach jeder Aufführung gab es massenweise Blumen, er wurde vielfach fotografiert und gab Autogramme. Sagte er hinterher immer.
Ich habe mir so einen Auftritt einmal angesehen, nur ein einziges Mal, danach habe ich mich nicht mehr getraut, hinzugehen. Tatsächlich war Polli ein klitzekleines Bißchen selbstverliebt – und manche der Zuschauer waren eher gelangweilt als begeistert. Wenn Pollux mitbekam, dass jemand schwatzte während er schauspielerte, schnauzte er ihn lautstark an und drohte mit Eisentzug für den ganzen Sommer! Da im Publikum vernehmlich Kinder saßen, waren viele immer wieder am weinen und hatten eher Angst als alles andere. Es war nicht schön anzusehen. Aber Polli war der Star und ließ das auch jeden wissen. Abends war er dann aber auch immer traurig und hatte ein schlechtes Gewissen, weil er die Kinder immer angefratzt hatte – immerhin.
Ich bin gespannt, ob sich diese Geschicht nun auch in der Ostseestadt wiederholen wird. Es wird auf jeden Fall gerade tüchtig geprobt und Pollux bekommt schon wieder schlimmes Lampenfieber! Ich hatte mich schon arg gewundert, warum er gerade so unruhig ist.
Morgen kommt nun endlich der neue Kuseng zu Besuch – vielleicht spielen sie ja gemeinsam und geben eine neue Geschichte mit Seemannscharakter wieder, in der Sir Henry und Pollux durch die Nord-West-Passage segeln? Möchte ich das eigentlich wissen? Oder gar sehen? Ähm. Nein, irgendwie nicht.
Vielleicht sollte man die Eltern der Kinder warnen, bevor sie zum Kasperletheater strömen. Könnte für alle besser sein.