Sichten

Es gibt viele Sichten in der deutschen Sprache, viele Möglichkeiten, Worte durch anhängen von Silben zu bilden. Umsicht, Einsicht, Absicht sind Beispiele dafür. Ganze Sichtweisen zeigen sich, wenn man mal wieder mit der deutschen Bahn ein paar Kilometer durch die Lande und Landschaften fährt. Gerade unterhalten sich lautstark zwei junge Menschen, scheinbar Wiwi- oder BWL-Studenten, über die wirtschaftliche Lage des Landes, über Chancen und Möglichkeiten in diesen eigentlich schwierigen Zeiten. Demnach scheinen sich neue Gewinnchancen trotz der Pandemie zu ergeben, oder gerade wegen dieser Pandemie? Merkwürdig. Sollte es nicht um anderes gehen als um Profite und Strategien? Auf wessen Rücken gewinnt man? Eine Frage die man vielleicht immer mal stellen sollte. Wo finanzielle Gewinner sind, gibt es auch Verlierer. Solche, um deren Existenz es geht. Interessiert das eigentlich den gemeinen BWLer? Wahrscheinlich nicht, besonders umsichtig und nachhaltig wird in dem Fach wohl nicht immer gehandelt. Aber das ist ja nur meine Ansicht, vielleicht irre ich ja auch?

Das denke ich, während die Schleswig-Holsteinische Landschaft an mir vorbeifliegt. Was für eine Aussicht und welch Weitsicht! Die Wolken am blauen Himmel bilden wunderbare Strukturen und Formen, ich sehe speiende Drachen, Ungetüme, engelsgleiche Wesen, die sich ständig verändern. Darunter die weite Landschaft, das viele Grün in den unendlich vielen Tönen im Herbst. Kühe und Pferde auf Weiden. Raubvögel in der Luft. Kleine Dörfer und Höfe. Bäume, Sträucher, Wiesen. So viel Natur, schöne Natur, mit der es sich lohnt, verbunden zu sein. Aber das ist nur der Fokus und meine Ansicht, den, bzw. die ich gerade setze und habe. In diesem Moment, wo meine Gedanken leicht sind und fliegen können.

Wahrscheinlich sind all das nur Facetten, die wir Menschen haben. Morgen ist mein Fokus auf etwas anderem, vielleicht mache ich mir Gedanken über Materielles? Dann sehe ich keine Wolken, keine Natur und ich habe keine leichten Gedanken? Dann sind vielleicht die Wahrnehmungen und Aussichten eines vermeintlichen Wirtschaftsmenschen nicht mehr so sehr strukturiert, sondern spiegeln ihm etwas ganz anderes wider? Kommt da Freude, Leichtigkeit und Liebe dazu? Möge das doch so sein. Ich würde es mir und jedem Menschen wünschen – ich würde es der ganzen Welt, der ganzen Erde wünschen – dass wir Menschen alle auch Facetten haben, die die Schönheit der Erde sichtbar werden lässt.
„Auf die Dauer nimmt die Seele dir Farbe der Gedanken an“ so (oder so ähnlich) wird Marc Aurel, der römische Philosoph zitiert – und mit all diese Seelen wandern und wandeln wir alle in der Welt, auf der Erde, in den Gemeinschaften mit Menschen und in der Natur umher.

All die Ansichten, Aussichten, Sichtweisen aller Menschen sind doch ein kunterbunter Strauß und niemals alle gleich. Sie ändern sich täglich, stündlich, ja in jedem Moment. Mit diesem Gedanken kann man ja auch umsichtig sein mit seinen Mitmenschen, auch wenn die sich vielleicht gerade mit Themen in den Vordergrund spielen, die fern von dem sind, was uns selbst bewegt. Es hat alles seine Berechtigung. Immer und zu jeder Zeit. Man sollte seinen eigenen Impulsen, was Bewertungen im Außen angeht, mit Vorsicht begegnen. Vielleicht auch mal nachsichtig sein. Nachsichtig sein auch mit sich selbst, ein entspanntes Gesicht machen, sozusagen.

Das ist doch auch mal eine Einsicht.

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