Schal und Charles (Kamelgeschichten Teil 45)

Wenn man auf das Datum schaut, erkennt man, es ist ein Tag vor dem ersten Advent. Der aufmerksame Leser wird sich wahrscheinlich diebisch freuen, weil es jetzt um die alljährliche Weihnachtsmützenverteilung gehen könnte. Geht es auch, aber nicht primär. Es ist bisher nur das schwedische Kamel Gustav, das vehement mit dem einzigen ihm bekannten deutschen Wort nervt: Mütze! 

Ansonsten geht es um ein anderes Accessoire: den Schal. Pollux trägt seit vielen Jahren Schal, lange Jahre einen viel zu großen roten Schal und seit einigen Jahren einen Schal in curryfarben. Der ihm ganz hervorragend steht, um es mal ganz deutlich zu sagen. Aber auch jedes Kamel braucht Abwechslung: Pollux möchte nun Himmelblau tragen. Wie auch immer er darauf kommt. 

Vom anderen Ende der Stadt höre ich, dass Humphrey seinen stylischen magentafarbenen Schal gegen einen in mint tauschen möchte. Damit aber nicht genug: der Kuseng möchte auch einen schicken Schal, unbedingt in Der Farbe petrol. Beim Kuseng fällt mir ein, er wollte ja an den Plöner See auswandern, wird aber wohl doch am anderen Ende der Stadt bleiben. Wahrscheinlich befeuert der Plöner See sein Trauma aus der Nord-West-Passage, wir erinnern uns sicher alle, wobei hier die Geheimnisse noch nicht aufgedeckt sind!

Nun, bei all diesen Schals (oder ist der Plural von Schal dann Charles?) wollte das Erdbeerkuchenkamel auch mal auffallen: da muss nun ein weißer Schal her, ein schneeweißer. Es sagt, es sei so unschuldig und unbefleckt. Nun, wer das Erdbeerkuchenkamel kennt, wird wissen, dass es, so klein es auch ist, durchaus recht impulsiv sein kann. Unbefleckt? Nunja. Manchmal zieht es mit Klärchen nachts um die Häuser und kommt schmutzige Lieder singend zurück. Aber ich möchte den beiden Kamelfrauen lieber nicht zu nahe treten. Ist besser. 

Es heißt nun also, die Strick- und Häkelnadeln Tücken, wolle in vier Farben kaufen und daraus vier passgenaue Charles stricken und häkeln. Auf geht’s! 

Außer für Theo und Gustav: Mütze! 

Gockel

Woran liegt es eigentlich, dass Männer so oft anfangen zu gockeln, sobald eine attraktive Frau die sicht- oder unsichtbare Bühne betritt? Nun, eigentlich ist die Frage rhetorisch. Man(n) möchte gefallen, oft um jeden Preis. Das Lächeln wird einen Tick deutlicher, die Zähne blitzen ein Stück mehr zwischen den sonst vielleicht zusammengekniffenen Lippen. Die Augen strahlen, der Rücken strafft sich, die Schultern scheinen breiter zu werden. Die Stimme wird mal heller, mal dunkler. Mann lacht mehr, kokettiert, redet mehr und spricht auch mehr vermeintlich gefällige Themen an. Er gockelt. Mann wird zum eitlen Pfau. Natürlich versuchen wir Männer dabei auch, andere anwesende Männer zu übertrumpfen. Wir machen sie mit Worten kleiner, erheben uns über sie, stechen sie aus, gern auch mit einer Portion Überheblichkeit und Arroganz. 

Wahrscheinlich ist das ein Programm, das wir tief in unseren Genen tragen. Fehlt wohl nur noch, dass wir das Objekt der Begierde an den Haaren in unsere Höhle schleifen. 

Für den Begriff „Objekt der Begierde“ wird Mann allerdings heutzutage gesteinigt, zumindest wenn es sich dabei um eine Frau handelt. 

Klar ist, niemand schleift jemanden ungefragt und gegen deren Willen irgendwohin. Das alte Programm spielt sich trotzdem ab. Und die Frau? Genießt sie es? Ist sie eher genervt und ignoriert es? Keine Ahnung, ich bin keine Frau. Aber ich würde das gern wissen. 

Spannend auf jeden Fall, so ein Gegockel zu beobachten. Ich erinnere an eine Situation vor einigen Jahrzehnten: viele Männer unter sich, an einem großen Tisch in einer Kneipe sitzend. Ausgelassen lachend, eine freundschaftliche Atmosphäre. Plötzlich: eine schöne junge Frau betritt den Raum. Alles ist anders. Gockel hier und Pfaue dort. Konkurrenzkampf mit Worten und Blicken, Testosteron schwängert die Luft. Ich erinnere mich nicht mehr, was dann passierte. Ich war fasziniert und erschrocken zugleich. 

Jetzt, viele Jahre später, eine ganz andere Situation in viel kleinerem und intimeren Rahmen mit sehr reflektierten Menschen: dasselbe gockeln, sich aufspielen….und wieder bin ich erschrocken, überrumpelt und auch etwas wütend, dass sich da jemand so über andere erhebt, nur weil er gefallen will. Bin ich da eifersüchtig? Vielleicht auch das. Ein wenig Fremdscham ist mit dabei – und doch: das genetische Programm funktioniert. Auch wenn es meist nicht zum Ziel führt. 

Mal sehen, wie das in weiteren Jahrzehnten ist, wenn ich hoffentlich greisenhaft mit nicht minder greisen Menschen zusammen bin. Bestimmt gockeln wir Männer dann noch immer! 

Musik früher und heute

Schon Anfang der 80er hat mich dieses Lied bewegt – auch heute fasziniert es. Neulich im Theater bei Michael Kohlhaas wurde es sanft live gesungen….wunderbar berührend.
Danke für so wunderbare Musik.

Pollux und der Kamelschnubbn (Kamelgeschichten Teil 44)

Herbstzeit, Schnupfenzeit. Das ist ja keine Neuigkeit, aber kennt jemand die äußerst gefährliche und auch langwierige Krankheit Kamelschnubbn? Wenn man, oder auch frau, denkt, ein üblicher Männerschnupfen sei schlimm und mindestens tödlich, der kennt eben jenen Kamelschnubbn nicht. Leider hat es gerade Pollux erwischt und das so richtig. 

Um ehrlich zu, erwischt es immer nur Pollux, die anderen Hückeltiere scheinen immun zu sein gegen diese gefährliche Krankheit. Ich weiß nicht, ob es ein Virus ist oder ein Bakterium, auf jeden Fall befällt es ausschließlich Pollix. Immer wenn es soweit ist, also mindestens zweimal im Jahr, nehmen alle anderen Reißaus – mit dem ersten weinerlichen „ih ham Schnubbn!“ verlassen alle fluchtartig die östliche Hemisphäre. Ich bin immer noch der Meinung, dass Ete ein wie auch immer getarntes Not-Wurmloch für genau diesen Zweck erfunden und zur Verfügung gestellt hat. Was ich aber sicher weiß: alle anderen Kamele suchen das Weite. Schnellstens. 

Nun liegt Pollux also im Bett, brabbelt unaufhörlich irgendetwas unverständliches, von dem man immer wieder nur „Schnubbn“ versteht – alles fürchterlich nasal und dauernd unterbrochen von weinerlichem Schniefen. Das arme Kamel. 

Für mich heißt es nun, im Fünf-Minutentakt seine Nase mit einem frischen Taschentuch abzuputzen, ihm Suppe zu kochen, literweise heißen Kakao zu machen, ihm dauernd vorzulesen, ihn ständig zu bedauern und ihm natürlich den Hückel zu kraulen. Am besten alles gleichzeitig, klar. Immerhin brauche ich kein Kamelkaffeetrinken zu organisieren, der Rest der treulosen Bande ist ja weg. 

Ich muss unbedingt herausbekommen, wo das Not-Wurmloch ist – ich hoffe ich passe hindurch. Wo immer es auch hinführt, besser und entspannter ist es dort bestimmt. 

Selbst die Katze Mausi macht derzeit einen Bogen um Pollux, er ist aber auch wirklich ein klein wenig anstrengend. Aber was soll ich sagen, ich kenne ja auch Männerschnupfen. Hilft also alles nix, ich muss am Sonntagabend nochmal zum Bahnhof: die Milch ist leer und das arme kranke Kamel braucht noch heißen Kakao. 

Kamelgesundheit (Kamelgeschichten Teil 43)

Natürlich sind die Kamele immer allesamt gesund – nicht dass hier jemand anhand des Titels auf krumme Gedanken kommt! In einer Kameldokumentation hieß es neulich im Zusammenhang mit Wüstendurchquerungen: „An oberster Stelle steht die Gesundheit des Kamels.“ Zitat Ende.
Ich weiß zwar nicht, ob die hiesigen Kamele überhaupt nur grob wissen, was eine Wüste überhaupt ist – aber sie wissen sehr wohl, wie wichtig ihnen ihre Gesundheit ist. Logisch eigentlich.

Daraufhin kamen mir ein paar Ideen, wie man die Gesundheit der Hückeligen noch unterstützen kann. Gesunde Ernährung wäre da mal das allererste. Kuchen und Torten ab sofort nur noch zuckerfrei – so gibt es nur noch Vollwert-Möhrenkuchen ohne Zucker. Dieser Gedanke war kaum zu Ende gedacht, kaum ausgesprochen oder aufgeschrieben, da flogen schon die ersten Tassen, Flaschen und ich-weiß-nicht-was-alles in meine Richtung. Dummerweise hatte ich vergessen, einen Helm aufzusetzen, also half nur die Flucht. Dabei fällt mir ein, bzw. fiel mir auf, dass manche Menschen einen Helm anziehen, statt ihn aufzusetzen. Merkwürdig, das ist so ähnlich bei der Brille, die ziehen manche Leute eher auf. Oder an? Keine Ahnung, bei welcher regionalen Herkunft man was sagt. Auf jeden Fall ist ein Leben ohne Helm semi-optimal, wenn man die Essgewohnheiten der Kamele*Innen hinterfragt, oder gar überlegt, sie zu ändern.

Ein zweites Thema neben dem Zucker ist der Kaffee. Die hiesigen Kamele, zumindest die die bei mir leben, sind ein wenig dem Koffein verfallen. Das äußert sich in hoher Nachtaktivität, weshalb ich auch nachts einen Helm tragen müsste – prophylaktisch gesehen.
Am anderen Ende der Stadt fallen die dortigen Kamele um Punkt 22 Uhr ins wohlverdiente Kobra. (Wer jetzt nicht weiß was „ins Kobra fallen“ bedeutet, hat die Geschichten nicht aufmerksam gelesen und bekommt einen Rüffel, oder wahlweise ein zuckerfreies Stück Vollwert-Möhrenkuchen).
Bei meinen Kamelen hilft gegen die Nachtaktivität aber nur eins: Kaffee-Entzug. Ab sofort gibt es nur noch Kamillentee, bzw. hiesigen Kamelentee, was dasselbe zu sein scheint. Man kann sich nun lebhaft vorstellen, wie alle Kamele bei diesen Ideen ganz tüchtig in ein Tohuwabohu gefallen sind (statt ins Kobra). Großes Gemurre und Gekreische und alle liefen wild durcheinander (wie die Hühner bei Gewitter, möchte ich meinen).  

Hilfe kam sofort vom entspannten anderen Ende der Stadt, die Kamele wurden allesamt zum Kamelenteetrinken eingeladen – natürlich kommen sie mit mehreren 5-Liter-Kannen Kaffee! Im Titelbild sieht man die vor Freude in die Luft springenden Brüder Pollux und Theo, ein Wunder dass sie nicht bis ans andere Ende der Stadt gehüpft sind.

Eventuell sollte ich mal entkoffeinierten Kaffee besorgen, fällt ihnen ja vielleicht nicht auf. Und den Helm, den sollte ich demnächst wieder öfter tragen – vor allem wenn sie auf Entzug sind!

Sag mir wo die Blumen sind

Sag mir wo die Blumen sind,
Wo sind sie geblieben
Sag mir wo die Blumen sind,
Was ist geschehen?
Sag mir wo die Blumen sind,
Mädchen pflückten sie geschwind
Wann wird man je verstehen,
Wann wird man je verstehen?

Sag mir wo die Mädchen sind,
Wo sind sie geblieben?
Sag mir wo die Mädchen sind,
Was ist geschehen?
Sag mir wo die Mädchen sind,
Männer nahmen sie geschwind
Wann wird man je verstehen?
Wann wird man je verstehen?

Sag mir wo die Männer sind
Wo sind sie geblieben?
Sag mir wo die Männer sind,
Was ist geschehen?
Sag mir wo die Männer sind,
Zogen fort, der Krieg beginnt,
Wann wird man je verstehen?
Wann wird man je verstehen?

Sag wo die Soldaten sind,
Wo sind sie geblieben?
Sag wo die Soldaten sind,
Was ist geschehen?
Sag wo die Soldaten sind,
Über Gräben weht der Wind
Wann wird man je verstehen?
Wann wird man je verstehen?

Sag mir wo die Gräber sind,
Wo sind sie geblieben?
Sag mir wo die Gräber sind,
Was ist geschehen?
Sag mir wo die Gräber sind,
Blumen wehen im Sommerwind
Wann wird man je verstehen?
Wann wird man je verstehen?

Sag mir wo die Blumen sind,
Wo sind sie geblieben?
Sag mir wo die Blumen sind,
Was ist geschehen?
Sag mir wo die Blumen sind,
Mädchen pflückten sie geschwind
Wann wird man je verstehen?
Wann wird man je verstehen?