
Das waren noch Zeiten:

Lost and Found
Der Ort des Geschehens novembergrau, ständig Nieselregen
Komm mit
Über die Vögel, die Wolken, zum höchsten Punkt
Ich hab die Strahlenkrone aufgesetzt, Corona
Spiegelnd darin mein leuchtendes Haupt
Du sollst mein Beifahrer sein
Im Fahrtwind stehen, im Sonnenwind
In schimmerndem Gold, in Purpur gehüllt
Durch Gefahr führt unser Weg und Bilder von Bestien
Komm auf meine Sonnenbarke
Komm auf meine Sonnenbarke
Im rötenden Osten öffnet Aurora ihre Rosentore
Es fliehen die Sterne
Die Sichel des Mondes vom Rand her verblasst
Steil ist am Anfang die Bahn, am Morgen
Schwindelnd hoch in der Mitte des Himmels
Jäh neigt sich am Ende der Weg
Komm auf meine Sonnenbarke
Komm auf meine Sonnenbarke
Die Finsternis vertrieben
Durch rasende Flammen
Verzehrende Glut
Überall reisst die Erde auf
Selbst in die Unterwelt dringt durch Spalten Licht
Versetzt die Herrscher in Angst und Schrecken
Komm auf meine Sonnenbarke
Komm mit auf meiner Sonnenbarke
[Blixa Bargeld, Alexander Hacke, Andrew Chudy]
Ich dachte ich kann’s lassen
an dich zu denken immerzu
doch es geht nicht
mein Geist gibt einfach keine Ruh‘
Immer wieder Gedanken
an die schönen Zeiten, so unbeschwert
zurück dann in der Wirklichkeit
ist grad nix mehr ‚was wert
Du bist der Wald
und ich bin das Meer
so weit auseinander
nichts stimmt grade mehr
Ich bin nicht wie du
du bist nicht wie ich
zusammen waren wir alles
allein fühl‘ ich nichts
Vorbei sind die Zeiten
in denen Küsse nach Sonne schmecken
wo dein Hals so sehr nach Honig riecht
Nun gibt es Momente in denen Monster mich wecken
und der Dämon mir mitten ins Herz hinein kriecht
Du bist der Wald
und ich bin das Meer
so weit auseinander
nichts stimmt grade mehr
Soll’s das gewesen sein?
ich war so lang allein
Es war alles soweit gut
ganz in Ordnung, dann kamst du
Zusammen gescheitert
uns nicht alles gezeigt
doch soviel geredet
und jetzt so Vieles bereut
Ich bin das Meer
und du bist der Wald
Erde und Wasser
Und mir fehlt der Halt
Inzwischen häufen sich die missmutigen Stimmen von Kamelen, die sich nicht beachtet fühlen. Das möchte ich natürlich ändern – auch weil ich schon offene Drohungen vereinzelter Hückeltiere erhalten habe. Gerade Klärchen ist da momentan etwas vehement, ich schätze sie ist derzeit gelangweilt, da sie soviel Zuhause ist und auch, weil Pollux gerade eine Trauerphase durchmacht und die beiden nicht den lieben langen Tag herumknutschen wie sonst. Klärchen also. Von ihrer Impulsivität habe ich schon erzählt, wenn sie einem droht, muss man das ernstnehmen! In diesen emotional besonderen Zeiten hat sie sich mit dem kleinen Erdbeerkuchenkamel zusammengetan – die beiden hecken irgendetwas aus und ich bin nicht wirklich sicher, ob ich wissen möchte, was das ist. Das Erdbeerkuchenkamel gehört an Theos Seite, was die beiden genau verbindet, weiß ich nicht. Sie sitzen immer zusammen und Theo macht, was sie sagt. Oft. Sogar meistens. Das Erdbeerkuchenkamel plant, die Erdbeerfelder die in diesen Krisenzeiten nicht abgeerntet werden können, selbst zu beernten. Da kommt dann wohl Klärchen ins Spiel, sie will helfen. Was das für die Erdbeerfelder bedeutet? Keine Ahnung – aber auch hier rate ich allen Beteiligten, einen Helm aufzusetzen. Manchmal frage ich mich, wieviele Erdbeeren in so ein Minikamel hineinpassen? Es sind viele Erdbeeren, sehr viele, das steht mal fest. Im gegensatz zum Erdbeerkuchenkamel ist Klärchen wahrhaft eine Rebellin, sie erinnert ein wenig an eine Guerillakriegerin. Dabei kann sie auch ganz sanft sein, manchmal wenigstens.
Die beiden größten Kamele sind Gustav und Brocki, sie sind eine gute Nummer größer als Pollix und Theo. Beide, also Gustl und Brocki, leben am anderen Ende der Stadt. Gustav ist vor ein paar Jahren aus Schweden gekommen. Er hat in einem schwedischen Second-Hand-Laden sein Dasein gefristet und ist „uns“ praktisch zugelaufen. Uns stimmt nicht, zu mir kommt er nur ab und an zu Besuch. Gustav spricht ausschließlich schwedisch, zumindest vermuten wir das, da wir selbst ja kein Wort schwedisch sprechen. Er hat einen wunderbaren, perfekt geformten Hühnergott um den Hals hängen, den er mal während eines Dänemarkurlaubs am Strand gefunden hat. Seitdem zeigt er jedem der es nicht wissen will im Sekundentakt diesen Stein und möchte, dass man ihn bewundert. Also den Stein. Naja UND Gustav selbst auch. Dumm ist, dass er den Stein in Dänemark fand, er hasst Dänemark. Er will lieber nach Svenska! Gustav ist sehr liebenswert, etwas eigensinnig und wohl verknallt in Etepetete. Seit einigen Monaten hat Gustav einen neuen Job, der ihn total ausfüllt – er ist Kopf- und Buchhalter. Seitdem sehe ich ihn nicht mehr, aber ich höre, ihm geht es gut und das ist das Wichtige. Mit Theo ist Gustl immer zwischendurch im Kontakt, energetisch, Theo fängt dann an zu vibrieren und man sollte schauen, ob nicht im Umfeld merkwürdige Dinge passieren – die beiden hexen und zaubern, ich erwähnte das schon einmal.
Brocki ist schon lange dabei – er ist mir irgendwann mal auf einer Kirmis zugelaufen. Naja gelaufen? Ich habe noch nie gesehen, dass er sich bewegt hätte. Wir haben ihn mal einen Tag lang gefilmt und dann in Superzeitlupe den Eindruck gehabt, er hätte einmal kurz mit dem linken Ohr gewackelt, aber sicher waren wir uns nicht. Seitdem gibt es auf jeden Fall das Gerücht, er würde sich so schnell bewegen können, dass wir das mit bloßem menschlichen Auge nicht erkennen. Brocki hält sich auf jeden Fall zurück, er ist das stoischste Kamel, das es nur geben kann. Früher litt er an Höhenangst, weshalb er eine Konfrontationstherapie gemacht hat und mehrere Jahre (!) auf dem höchsten Regal saß und herunterschaute. Seitdem ist er geheilt. Glaube ich. Seit 1-2 Jahren widmet sich Brocki einem Schieberätselspiel mit Space-Invader-Motiven. Augenscheinlich hat sich noch nie etwas bewegt auf dem Spielfeld, aber vielleicht geht auch das alles so schnell, dass wir das nicht erkennen können. Oder Brocki sinniert seit Jahren über seinen nächsten Zug, wer weiß das schon. Wir mögen Brocki alle sehr und er ist augenscheinlich glücklich und zufrieden, was will man mehr?
Ich glaube, das waren jetzt alle Kamele. Sollte ich eines vergessen haben, wird es eng für mich. Pollux, Humphrey, Theo, Etepetete, Klärchen, Gustav, Brocki, das Erdbeerkuchenkamel und die Önskads.
Es gibt natürlich mitunter noch andere hückellose Wesen, die oft nur temporär dazugehören. In Humphreys Fall ist das, wie schonmal erwähnt, oft Federvieh. Es gab schonmal eine Eselin, einen Hai, einen Pinguin und viele viele andere.
Momentan haben wir, seit ein paar Jahren schon, eine Eule bei uns, sie heißt Greta. Greta kann als Eule leider nicht fliegen, und sitzt meist bei Pollux oder Theo auf deren Hückel und wird von Klärchen und dem Erdbeerkuchenkamel beäugt. Aber Greta ist sehr weise und hat einen spitzen Schnabel, sie wird respektiert. Möglicherweise bringt sie auch ein wenig Gleichgewicht in den Kamelhaufen, wer weiß?
Hin und Her und On und Off
Am Ende. Aus und Vorbei. Zu Ende.
Können und wollen
und so viel Hoffnung
Das war. Aber was ist. Jetzt?
Im Hier und im Jetzt?
Der Schmerz kommt in Wellen
Trauer. Wut. Verzweiflung.
Spüren. Nicht Spüren. Nichts mehr Spüren.
Die Ewigkeit ist aus menschlicher Sicht
manchmal nur ein kurzer Funke
ein aufflackerndes Licht.
Aller Unkenrufe zum Trotz
Alles auf die eine Karte gesetzt
Ist es plötzlich, ganz plötzlich
zu Ende. Am Ende. Vorbei.
Wir haben uns gehetzt
bis uns der Atem ausging.
Atemlos jetzt.
Vorbei. Zu Ende. Am Ende.
Blicke wie Gewitterblitze
Worte wie Messer
Sätze wie Dolche
Zerstören in uns all die liebliche Hitze.
Nun wächst nicht mehr viel
Nur noch Dürre und Kälte
und es ist besser
zu gehen. Am Ende. Das Ende. Ist erreicht.
Was bleibt?
Von den Träumen?
Waren es doch nur Schäume?
Es bekunden die Bäume:
die Eiche nickt, bietet Räume
nur noch für einen
von beiden.
Der andere geht. Muss gehen.
Der Raum ist
geschlossen. Am Ende.
Wo es begann, da endet er:
der Traum wird zu Staub.
Es bleibt nichts mehr.
Die Verheißung vorbei.
Umgeben von Scherben.
So ähnlich ist Sterben!
Liebe und Licht
daraus wird…
Wer weiß es? Ich weiß es nicht.
Sterben wird das gemeinsame Licht.
Einsam brennen nun zwei kleine Lichter
weiter, weiter und weiter
bis die Hoffnung sie wieder nährt.
Und irgendwann dann heilen die Scherben
Neues Licht wird entstehen
Trauer und Ohnmacht vergehen
Die Wunden und Narben
werden sich prachtvoll aus den Schatten erheben
Irgendwann. Werden wir bereit sein.
Um neue Wege zu gehen.
Irgendwann. Irgendwohin. Mit irgendwem.
Und Doch
Ich liebe dich
und ich liebe dein Licht.
So sei es. A’ho.
(Matthias, im April 2020)
Lösch mir die Augen aus…
Lösch mir die Augen aus: ich kann dich sehn,
wirf mir die Ohren zu: ich kann dich hören,
und ohne Füße kann ich zu dir gehn,
und ohne Mund noch kann ich dich beschwören.
Brich mir die Arme ab, ich fasse dich
mit meinem Herzen wie mit einer Hand,
halt mir das Herz zu, und mein Hirn wird schlagen,
und wirfst du in mein Hirn den Brand,
so werd ich dich auf meinem Blute tragen.
Rainer Maria Rilke (1875-1926)
Aus: Das Stundenbuch / Das Buch der Pilgerschaft (1901)
Heutzutage ist das Wort Angst in aller Munde – naja nicht in aller Munde, aber in vieler Menschen Munde. Ich frage mich, was ist Angst eigentlich genau? Gibt es eine allgemeingültige Beschreibung? Wenn ich es in eine bekannte Suchmaschine eingebe, dann kommt da als Beschreibung „Angst: beklemmendes, banges Gefühl, bedroht zu sein“.
Ja, so könnte man das ausdrücken – unter anderem. Es gibt so viele Beschreibungen, das wird subjektiv in Nuancen sehr unterschiedlich sein. Dann gibt es Begriffe wie Phobie, Panik, Panikattacke, Angststörung, usw. usf. Wir alle haben Angst. Vor allem Möglichen. Spannend wird es zu erfahren, was hinter so einem Angstgefühl liegt, woher es kommt, was es antriggert. Das zu erfahren setzt aber voraus, dass man das Gefühl der Angst überhaupt wahrnimmt, ins Bewusstsein hinein lässt. Wenn ich mich so umschaue in der Welt, in meinem eigenen Umfeld, dann sehe ich Menschen, die angstvoll handeln, sich ängstlich verhalten. Das ist, finde ich, nicht schlimm. Ich habe gestern jemanden gefragt, ob er wirklich so eine Angst hätte, wie es den Anschein hat – als Antwort erhielt ich eine absolut konfrontative Aussage, dass das nicht stimme und mal absoluter Quatsch sei. Keine Angst also, nunja. An dieser Stelle habe ich mir zwei Dinge gedacht. Zum einen eben, dass da wohl dieses Angstgefühl bei dem betreffenden Menschen nicht ins Bewusstsein drängt (aber wer bin ich, sowas zu beurteilen?). Zum anderen aber auch, warum mir das eigentlich so sehr auffällt und weshalb mich das so sehr abstößt. Wenn ich ehrlich bin, dann fällt mir auch das Resonanzgesetz (das Spiegelgesetz, oder auch das Gesetz der Anziehung genannt) ein. Man wird vom Außen genau dann getriggert, wenn man selbst davon etwas im Innen hat. Ist also eine gute Chance für mich, mal zu schauen, wovor ich denn gerade so alles Angst habe. Gehe ich mal in mich und spüre hinein, sind da zurzeit viele Ängste – natürlich auch die virale Lage betreffend. Das ist gar nicht so offensichtlich, aber unter der Oberfläche ist da etwas. Die Angst, krank zu werden. Die Angst, isoliert zu sein. Zum Beispiel. Und da ist viel mehr als das – unabhängig von der Situation in der Welt. Angst, einsam und allein zu sein. Angst, Fehler zu begehen, oder begangen zu haben. Angst vor Verletzung. Vor Scham. Vor Schuld. Und und und. Wie stelle ich mich dem und was mache ich damit? Wahrnehmen, ja das ist das eine. Dahinter zu schauen ist nicht immer so ganz einfach, oftmals liegen Ängste in den eigenen Schatten. Mit Freunden darüber zu sprechen ist gut. Sich mit der geistigen Welt zu verbinden und dort um Rat zu fragen. Alles gute Ideen.
Erstmal bin ich dankbar dafür, so etwas überhaupt zu spüren. Dankbarkeit fällt da manchmal schwer, aber es funktioniert. Wenn ich an das Spiegelgesetz denke, kann ich mich um die schönen Dinge des Lebens bemühen, sozusagen den Fokus verändern – das ist manchmal aber leichter gesagt als getan. Ein weiterer Gedanke wäre, dass Ängste ja nicht überflüssig sein – Angst ist ein Überlebensinstinkt. In Therapien lernt man, dass man zwei Möglichkeiten hat, angstvollen Situationen zu begegnen. Man kann weglaufen, oder kämpfen. Flucht oder Kampf. Sonst nichts. Was Mensch gern bei Ängsten und Panikattacken macht, ist aber, in die Starre zu gehen. Das ist fatal, weil sich dadurch die Situation nicht ändert. Ist aber Ignoranz eine gangbare Strategie? Sicher nicht auf Dauer. Es kommt wohl auf die Art und die Tiefe der eigenen Ängste an. Manches ist abhängig von äußeren Situationen, manches sind einfach tief verwurzelte eigene Ängste. In der Psychologie spricht man auch von der Angst als Zustand auf der einen und der Angst als Eigenschaft auf der anderen Seite. Alles gar nicht so einfach.
Ich versuche, mich nicht allen Ängsten gleichzeitig zu stellen – bei Paniken dürfte das allerdings schwierig werden. Was nun?
Atmen. Atmen hilft. Atmen hilft immer. In die Angst hineinatmen. Ein guter Plan. Ein- und Ausatmen. Ein und Aus und Ein und Aus. Atmen muss man sowieso, dann kann man es auch ganz bewusst machen, manche Ängste verschwinden tatsächlich auf diese Weise. Wunderbar, einfach mal ausprobieren!
(P.S.: Da fällt mir noch ein Nachtrag ein. Gedanken dazu, was Angst aus Menschen und deren Verhaltensweisen so machen kann. Das ist ja das, was wir gerade überall sehen. Manche kapseln sich bestimmt ab, ziehen sich zurück, möglicherweise ist das eben erwähnte Starre? Andere kanalisieren scheinbar ihre Angstgefühle in Wahrheiten, die fernab des Mainstreams sind – da werden dann gern allgemein als richtige geltende Tatsachen komplett in Frage gestellt, um die Auslöser der Angst zu eleminieren. Andere Menschen wiederum verfallen wohl in Aktionismus, einfach um sich abzulenken. Die nächsten üben sich in andauerndem Humor. Wieder andere maßregeln ständig andere Leute, die sich nach öffentlicher (oder eben derer) Meinung unkorrekt verhalten. Es scheint auch Menschen zu geben, die offen in Panik sind, zumindest soweit man das als Außenstehender beurteilen kann. Dann gibt es bestimmt Leute, die sich in kleinen Gruppen Gleichdenkender zusammentun uns sich austauschen. Wieder andere bleiben gelassen – sehen dabei aber ihre ängstlichen Gefühle, nehmen sie wahr.
Es gibt soviele Möglichkeiten. Viele werden verschiedenste Strategien kombinieren, nicht bewußt, klar. Es gibt ja auch kein Richtig oder Falsch. Alles ist legitim, solange man Andersdenkende eben anders denken läßt. Aber funktioniert das da draußen gerade mit der Toleranz? Funktioniert das bei mir selbst? Hm. Ich atme wohl erstmal tief ein…)
(Bild von https://unsplash.com)
Morning sun – morning sun
come my way – come my way!
Come my way – come my way
take my pain – take my pain!
Take my pain – take my pain
down below – down below!
Down below – down below
to cool water – down below!
Heute mal keine Vorstellung eines Kamels. Ich wollte eigentlich etwas über Klärchen schreiben, sie weigert sich aber und droht mit furchtbaren Vergeltungsmaßnahmen, sollte ich mich nicht daran halten. Komisch eigentlich, dabei ist sie momentan recht friedlich – für ihre Verhältnisse, sollte man relativierender weise dazu sagen. Ich halte mich besser dran. Es ist sowieso gerade ruhig bei den Kamelen. Theo verbindet sich dauernd mit Gustav, die beiden heilen die Welt in merkwürdigen, nicht durchschaubaren Ritualen und finden das überaus wichtig. Was es natürlich auch ist und in diesen Zeiten kann ja alles am Ende nur helfen. Manchmal fängt Theo dabei unvermittelt an zu kichern – scheinbar ist das sowas wie ein schamanisch-kamelisches Heilritual, zumindest würden das Theo und Gustav so nennen, würde man sie darauf ansprechen – diese Kicherkamele! Andere veranstalten Heilgesänge, sie machen Heilgekichere, nun, warum auch nicht? Lachen und kichern kann man eh niemals genug.
Pollix aber ist gerade traurig. Man sieht ihm das immer sofort an, er schaut mit schrägem Kopf und ist sehr ruhig. Wenn Klärchen so ruhig ist, heckt sie etwas aus und man sollte prophylaktisch einen Helm aufsetzen, nicht so bei Pollux. Er braucht dann Zuwendung. Ja, er braucht Schokolade, oder Schokoladenpudding, oder Schokoladentorte. Wenn es schlimm ist, kann man das „oder“ getrost mit einem „und“ ersetzen. Es ist oft schlimm. Jetzt ist es gerade schlimm. Außerdem muss man ausgiebig seinen Hückel kraulen, stundenlang am Besten. Und er möchte (wenn ich sage „er will“ trifft es das besser) nachts mit im Bett sein, das hatten wir uns eigentlich längst abgewöhnt. Es sind aber gerade auch emotional ungewöhnliche Zeiten – eigentlich sind es extreme Zeiten in denen wir uns befinden. Insofern ist auch bei Pollix alles anders als sonst. Bei mir auch. Es sind gerade Zeiten großer Veränderungen, großer Umwälzungen. Das ist sowohl bei mir persönlich so, als auch im kollektiven und eben auch bei den Kamelen. Ich bin gespannt, wohin die Reise geht – natürlich wird es eine Reise mit Kamelen, soviel ist mal klar. Alle gehen wir damit unterschiedlich um, der eine braucht Zuwendung, andere lässt man besser in Ruhe. Wenn man das bloß immer wüsste, wer was gerade braucht? Da lob ich mir das Kamel Pollux, er sagt was er will, sehr deutlich sogar. Als er heute Nacht aus dem Bett fiel, war das Geschrei und Gezeter auf jeden Fall groß und es dauerte, bis sich alle beruhigt hatten. Pollux zählt immer seine Pfoten, wenn er aufgeregt ist – meist kommt er auf sieben. Heute Nacht war er aufgeregt, sieben Pfoten also…nun ja, daran habe ich mich inzwischen auch gewöhnt. Schwierig wird es, wenn er bei Regen an den Strand will – hat schon mal jemand irgendwo sieben sehr kleine Gummistiefel gekauft?
Über den Liebenden gibt es kein Gesetz
Unter den Liebenden zählt die Regel nicht
Wegen der Liebenden gibt es Möglichkeit
Und ohne die Liebenden lohnt die Suche nicht
Dingsallerdingsallerdingsdingsaller
Über den Liebenden gibt es kein Gesetz
Unter den Liebenden ist die süsse Bahn
Neben den Liebenden schmilzt das ewige Eis
aber ohne die Liebenden ist Scheitern programmiert
Du scheiterst heute, scheiterst morgen
scheiterst immer besser
Und irgendwann scheiterst du nicht
Dingsallerdingsallerdingsdingsaller
Allerdings
Heute spielt Fortuna wieder Schach mit dir
spekuliert darauf das du die Königin verlierst
Du gehst in die Stadt und findest sie nicht
Es sieht so aus, du verlierst die Partie
Oder vielleicht sie endet mit Remis
Fortuna gibt selten nur Revanche
Besser ein Kuss vereitelt ihre Strategie
Dingsallerdingsallerdingsdingsaller
Über den Liebenden gibt es kein Gesetz
Unter den Liebenden zählt die Regel nicht
Hinter den Liebenden die Worte sind geräumt
Ohne die Liebenden nur sprachlos flaches Land
Trotz blauer Flecke und Blessuren
Ich gebe euch hiermit neue Suren:
Exclusiv für die, für die nichts geschrieben steht
Dingsallerdingsallerdingsdingsaller
Allerdings
(Einstürzende Neubauten – Dingsaller) (Bild: Sinner, FB)