Ich erinnere

In den Nächten in denen alles kippt
Die Vertikalen, Horizontalen
Alle Falten werden Kriege
Die ganze Zeit zu einem einzigen Punkt
Und ich am Grund
An allem Schuld
Ich stürze in die Sonne
Immer
Auch jetzt

Jeder Satz mit ihr hallt nach
Jeder Satz mit ihr hallt nach
Jeder Satz mit ihr hallt nach
Jeder Satz mit ihr hallt nach
Jeder Satz mit ihr hallt nach
Jeder Satz mit ihr hallt nach
Jeder Satz mit ihr hallt nach

Mein Sonnenflecken-gestoertes Haupt
Thront mit aufgerissenen Augen
Aufrecht
Im Nicht-Schlaf

(„Jeder Satz mit ihr hallt nach“
Alexander Hacke / Blixa Bargeld / Rudolph Moser / Andrew Chudy / Jochen Arbeit)

Ich lerne

Nach einer gewissen Zeit lernen wir,
den feinen Unterschied zwischen dem Halten einer Hand
und dem Anketten einer Seele zu erkennen.

Und wir lernen, dass Liebe nicht bedeutet, sich zurückzulehnen,
und dass es nicht Sicherheit bedeutet, wenn wir einen Gefährten haben.

Und wir beginnen zu lernen, dass Küsse keine Verträge sind,
und Geschenke keine Versprechen.

Und wir beginnen, unsere Niederlagen zu akzeptieren,
mit erhobenem Haupt und offenen Augen.

Und wir lernen, alle unsere Wege im Heute zu bauen,
weil die Gelände des Morgen zu unsicher sind, um darauf Pläne zu schmieden,
sie pflegen nach der Hälfte einzubrechen.

Und nach einer gewissen Zeit lernen wir,
dass auch die milde Sonnenwärme brennt, wenn derer zu viel wird.

So bepflanzen wir denn unseren eigenen Garten und schmücken die eigene Seele,
statt darauf zu warten, dass uns jemand Blumen bringt.

Und wir lernen, dass wir wirklich aushalten können,
dass wir wirklich stark sind, und dass wir wertvoll sind.

Und wir lernen und lernen … und mit jedem Tag lernen wir.


Jorge Luis Borges (Argentinischer Autor, 1899-1986)
(Bild von https://unsplash.com)

Kamele mit Schlafmasken (Kamelgeschichten Teil 8)

Inzwischen haben scheinbar auch die Kamele einen leichten bis mittelschweren Lagerkoller – wobei es immer noch Menschen gibt, die behaupten, das sei alles immer noch ganz normal.

Ich bekam gestern ein Bild von Humphrey am recht frühen morgen zugeschickt – er hatte ein unsinnig großes „Etwas“ auf dem Kopf, das sich als Kätzchenschlafmaske aus Plüsch offenbarte. Es sah ein bißchen grotesk aus, das muss ich zugeben, aber Hamfred war schon immer ein wenig extraordinär. Soweit so gut.

Fünf Minuten später saß das Erbeerkuchenkamel auf Pollux‘ Kopf. Er sagte, er hätte nun eine nach Erdbeerkuchen duftende Erdbeerkuchenkamelschlafmaske. Ohje, die haben Langeweile, war mein Gedanke. Kurze Zeit später saß Pollux auf dem Erdbeerkuchenkamel, es schaute nur ihr Hintern hervor: sie hatten getauscht und nunmehr hatte sie eine Polluxschlafmaske auf.

Als ich noch mit  den Augen rollte, sah ich Theo, der mal wieder Bungeejumping probte: mit einem um seine Pfoten gewickelten Teraband sprang er vom höchsten Bücherregal im Wohnzimmer und kreischte im freien Fall. Ich musste ihn dann wieder nach oben setzen, als er aufhörte, sinnlos herumzubaumeln. Aber das ist ja alles ganz normal. Derweil hat die Eule Greta versucht, Klärchen das Fliegen beizubringen – allerdings in Trockenübungen auf dem Sessel. Sie saßen da nebeneinander und Greta schlug wie bekloppt mit den Flügeln und raunte Klärchen leise ihre Flugtipps ins Ohr. Also ich habe Greta noch nie fliegen sehen und ich schätze, das wird auch bei Klärchen nicht anders werden. Alles also immer noch ganz normal.

Aber Langeweile haben sie sicher immer noch alle, nur zugeben würden sie es nie.
Immerhin waren alle so sehr mit ihrem Unsinn beschäftigt, dass ich keinen Schokoladenkuchen backen mußte – es hätte also schlimmer kommen können. Allerdings wollen jetzt doch alle eine Kätzchenschlafmaske aus Plüsch haben, vielen Dank Humphrey!

Shame

Do you ever get that feeling
When the guilt begins to hurt?
Seeing all the children
Wallowing in dirt
Crying out with hunger
Crying out in pain
At least the dirt will wash off
When it starts to rain

Soap won’t wash away your shame

Do you ever get the feeling
That something isn’t right?
Seeing your brother’s fist
Clenched ready for the fight
Soon the fighting turns to weapons
And the weapons turn to wounds
So the doctor’s stitch and stitch and stitch
And stitch and stitch and stitch and stitch

Surgery won’t improve your pain

It all seems so stupid
It makes me want to give up
But why should I give up
When it all seems so stupid?

Do you ever get the feeling
That something can’t be done?
To eradicate these problems
And make the people one
Do you ever get that feeling
Something like a nagging itch?
And all the while the doctors stitch
And stitch and stitch and stitch and stitch

Hope alone won’t remove the stains (for shame)

(Shame – Depeche Mode)
(Bild: The Sinner – Facebook)

Heilungsritual

Ich steige aus allen alten Rollen aus.
Ich bin weder Opfer, noch Täter, noch Retter.
Ich bin ich.
Ich verneige mich vor unserem Schicksal,
vor deinem und meinem.
Ich vergebe dir
und bitte dich, mir zu vergeben.
Was auch immer passiert ist,
es ist nicht mehr zu ändern.
Ich lasse auf allen Ebenen los
und gehe in die Hingabe.
Alles was uns blockiert
übergeben wir dem Feuer der Transformation.
Was zum Wohle aller geschehen will,
das darf geschehen.
Jetzt.
Ich danke dir für die Hilfsbereitschaft.

Re-Agieren

Manchmal wundere ich mich. Eigentlich wundere ich mich oft: oft genug über mich selbst, aber sehr häufig auch über andere Menschen und ihre Art zu handeln. Oder eben nicht zu handeln. Ich habe viele Jahre meines Lebens auch nicht wirklich gehandelt,  sondern habe Dinge geschehen lassen. In emotional positiven Zeiten habe ich behauptet, ich vertraue dem Schicksal, dem Universum. Ging es mir emotional nicht so gut, fühlte ich mich wie eine Kugel auf dem Billardtisch, die von anderen angestoßen wird und ohne eigenen Antrieb an andere Kugeln stößt oder einfach über den Tisch rollt. Der eigene Antrieb ist doch aber so wichtig – eine Entscheidung zu treffen, zu agieren, statt darauf zu warten, dass andere Entscheidungen treffen, die einen selbst beeinflussen. Auf Letzteres kann man nur reagieren, viele machen nicht mal das, sie bleiben in der Starre und halten Situationen aus. Bestimmt ist es auch mal gut, auszuhalten, es ist auch mal gut zu reagieren – aber manchmal tut es gut, in die Aktion zu kommen. Dem Universum einen Impuls zu geben! Seinem Herz entsprechend etwas tun und/oder sagen. Auch hier folgt die Energie der Aufmerksamkeit.

Natürlich folgt auf eine Aktion auch eine Reaktion. Ursache und Wirkung heißt es in der Physik und so ist es auch im tagtäglichen Miteinander. Manchmal folgt nicht einmal das, keine offensichtliche Reaktion, vielleicht eine Wirkung, von der man aber nichts weiß. Mit einer Reaktion kann man etwas tun, man kann wiederum darauf reagieren. Manchmal muss man Reaktionen auch aushalten, das ist wahr. Aber alles besser als…die Starre und das Nichts. In diesen schwierigen Zeiten, in denen die Polaritäten zwischen den Menschen zu wachsen scheinen, wäre es so wichtig, aufeinander zu Re-Agieren. Möglichst freundlich in einen Austausch zu gehen. Dazu braucht es aber deutliche Signale, von allen Seiten. Signale, dass man offen für einen Austausch ist. Das sehe ich gerade so wenig. In Zeiten des Rückzuges, der Kontaktsperre ist das auch nicht so einfach. Alle halten wir vielleicht ein wenig die Luft an, verhärten unsere Meinungen und unsere Vorstellungen und verharren darin, bis wir nicht mehr offen für einen Austausch sind.
Wir Menschen sind komisch, wir haben die Fähigkeit zur Reflektion und auch die Fähigkeit, Dinge differenziert zu betrachten. Aber wir tun es so selten. Ich gebe zu, da auch noch viel lernen zu können, aber ich bin auf dem Weg. Zu-Hören. Re-Agieren. Los-Lassen. All das.

Nach meinem Empfinden kommt jetzt die Zeit des Agierens, des „sich-zeigens“. Des „in-den-Kontakt-kommens“. Ohne all die Urteile, Verurteilungen und Schubladen, die man ja hat. Das ist eine echte Aufgabe für uns alle. Aber es wird mal Zeit. Im Großen wie im Kleinen, global und lokal. Mir fällt dazu ein Spruch ein „Öffnet die Herzen und herzt die Öffnungen“, im übertragenen Sinn macht dieser Satz richtig Spaß…im direkten Sinn sicher auch, wenn man jemanden an seiner Seite hätte, mit dem das ginge. Humor ist, wenn man trotzdem lacht!

Kamele in wirren Zeiten (Kamelgeschichten 7)

Oft werde ich gefragt, wie es sich mit den Kamelen in diesen viralen Zeiten lebt. Naja, eigentlich fragt mich das kein Mensch, aber ich möchte doch davon berichten.
Wenn ich ehrlich bin, ist es den Kamelen auch vollkommen schnurzpiepenegal, ob da draußen Viren und Bakterien oder Monster und Dämonen unterwegs sind. Sie kümmern sich um ihre eigenen Befindlichkeiten. Wobei Klärchen ja gerade dabei ist, sich einen Mundschutz zu besorgen. (Wie heißt das dann eigentlich bei Kamelen, Schnauzenschutz?) Auf jeden Fall plant Klärchen etwas, wo sie so einen Schutz benötigt – natürlich sagt sie nicht, was sie plant. Ich fürchte aber, es wird weniger um ihren Schutz gehen. Wahrscheinlich plant sie eine Art Terroranschlag und möchte nicht erkannt werden, wobei jeder sie aufgrund ihres imposanten Hückels sofort erkennen wird. Aber das sag ich ihr lieber nicht.

Pollux ist momentan dabei, sich um Theo zu kümmern. Auch wenn Polli selbst gerade nicht so gut beieinander ist, er weint immerzu. Aber Theo steht wirklich etwas neben sich – er schaut immer ganz verwirrt und traurig, ist wohl nicht in seiner Kraft, der großen Kamelkraft. Scheinbar hat die äußere Verwirrung in der großen und kleinen Welt um ihn herum auch Einfluss auf sein Seelenleben. Pollux spürt sowas und die beiden kleben momentan sehr aneinander – der eine ist wirr und kraftlos, der andere traurig und verzweifelt. Zusammen können sie sich aber gut halten und Halt geben. Zwischendurch muss man beiden den Hückel kraulen und ihnen sagen, dass alles gut ist, bzw. wieder wird. Oft wollen sie das aber nicht glauben. Dann bringe ich Schokoklade, Schokladenpudding oder Schokoladenkuchen. Dann geht’s.

Von Hamfred am anderen Ende der Stadt hörte ich neulich, dass er derzeit in einer Nachttischschublade lebt. Manchmal wird er von den Straußens (das sei der korrekte Plural eines Vogel-Straußes, wie ich die Tage gelernt habe) besucht und es geht verdammt hoch her im Nachttisch. Eigentlich wollten die Straußens und Humphrey mich über Ostern besuchen und hatten die Chippendales gebucht, die dann bei mir für die Kamele und Co. getanzt hätten, zumindest mal für die schwuppigen. Ich war sehr froh, dass ich nicht da war. Die Feierei wurde verschoben und die Chippendales kampieren zurzeit auf einem Spielplatz vor Humphreys Wohnung, bzw. seinem Nachttisch. Ich bin sehr froh, dass ich niemals an besagtem Spielplatz vorbeikomme und am Ende noch angesprochen werde, aber leider befürchte ich, dass Fred bald doch vorkommen wird, um „mal unter meiner rosa Lampe zu sitzen“ – hoffentlich ohne Chippendales!

Wie man sieht, ist auch in diesen wirren Zeiten alles ganz normal. Spannend wird es, sollte tatsächlich bald mal eine Katze einziehen, das wird alles und alle auf den Kopf stellen – ich freu mich drauf!

Jetzt trennt uns das Leben

Das hier geht an alle, die mir ihre Liebe gaben
Es war schön, ein Stück davon gehabt zu haben
Das geht raus an alle Leute, die ich geliebt
Es ist schön, dass es euch gibt.

Das hier geht an jeden, der mir zu nahe stand
Und von mir verletzt wurde durch das, was uns verband
Jetzt trennt uns das Leben und doch –
Ich lieb Dich immer noch

Ich war die Zukunft für Dich, doch das ist jetzt Vergangenheit
Und ich schätze ein „Es tut mir leid“ tut’s nicht mehr
Du warst so voller Erwartung
Ich war so leer
Du hingst zu sehr an mir, wir wurden zu schwer
Ich ließ ein paar Federn, es half sicher nicht
Ich schrieb „Liebe Dich!“
Und ich Liebe Dich

Ich werde meinem Karma folgen, ich kann in die Zukunft sehen
Lass es Dich nicht zerstören, lass uns auf die Liebe schwören
Schick die Dämonen in die Hölle, wo sie hingehören
Im glauben daran, dass nichts bliebe –
Ohne die Liebe!

(aus: Thomas D „Uns trennt das leben“)