Ägypten (Kamelgeschichten Teil 25)
Man könnte meinen, es handele sich hier um einen neuerlichen Teil von den Kamelen im Güllüp, aber weit gefehlt. Bei Ägypten fällt mir ein, dass wir früher immer fragten: „Äh, gypt’n das’n Sinn?“ Nein, einen Sinn gibt das irgendwie nicht. Oder vielleicht doch?
Um mal zur Sache zu kommen. Einige Kamele tragen neuerdings ägyptische Namen aus den Zeitaltern der Pharaonen.
Es fing damit an, dass der Name Nofret-Ete kursierte und mit ihm Bilder einer kunstvoll geschminkten Etepetete. Mir stellt sich die Frage, wer denn dann Echnaton sein soll, dessen Hauptgemahlin Nofetete ja im 14. Jahrhundert v.Chr. war. Wenn ich mir aber die Büste der Ägyterin ansehe, sehe ich natürlich auch Etes wunderbare und erhabene Schönheit: Nofret-Ete eben! Ob nun Etes Gustl als Echnaton taugt und ob der Begriff der Hauptgemahlin in die heutige Zeit passt, sei mal dahingestellt. Vom schwedischen Kamel Gustav habe ich diesbezüglich nun so gar nichts gehört. (er soll wohl dieses Jahr noch in die Waschmaschine, da hat er gerade ganz andere Sorgen)
Es dauerte natürlich nur Zehntelsekunden (bzw. einen Doppeldingsimeter, was eine neue nicht-metrische Maßeinheit ist, oder eine Altägyptische, wer weiß?), bis die anderen Hückeltiere auf den ägyptischen Gedankenzug aufsprangen. Schlimm war und ist es für die Primärkamele Pollux und Humphrey: kein Name eines ägytischen Pharaos passt zu den Beiden. Ich kann nur von Pollux reden, der schmollt und heult abwechselnd. Den selbsterfunden Namen Pollinx als Sphinx-Versatz wollte niemand unterschreiben. Armer Pollux. Und armer Fred. Der wird sicherlich nicht weniger weinerlich sein am anderen Ende der Stadt.
Ganz weit Vorne ist das Kamel Theo. Er nannte sich erst Theo-Patra, fand das aber weniger passend und gab die Königin des ägyptischen Ptolemäerreiches an Klärchen ab und nannte sich fortan Theops. Wohl wissend um die größte aller Pyramiden die seinethalben erbaut wurde: die Theops–Pyramide. Mir war bisher gar nicht bewußt, wie größenwahnsinnig Theo sein kann.
Nunja, es könnte auch sein, dass Klärchen ihm ordentlich gedroht hat, seit sie erkannte, ihr würde der Name Klär-Opatra grandios zu Gesicht stehen. Das tut er selbstverständlich auch – wehe dem, der etwas anderes behauptet.
Nun wehen also alte sagenumwobene Mythen um die genannten Kamele. Pyramiden werden erbaut, Lieder werden gesungen (wer erinnert sich nicht an die Ärzte mit „Geh’n wie ein Ägyp-ter“?) und jede Menge Schminke verteilt sich über die ägytischen Kamele.
Wo die Pyramiden nachher stehen sollen und vor Allem, wer sie bauen soll, steht noch in den Sternen. Das viele Gold, das die Pharaonen hatten, der große Reichtum, das sind natürlich gute Argumente, sich den drei Kamelen anzuschließen und ihnen zu huldigen.
Nofret-Ete, Theops, Klär-Opatra – wir verneigen uns vor euch, ehrfürchtig natürlich.
Von Meinungen und Emotionen
Es ist ja ein ganz aktuelles, sehr brisantes Thema, um das man nicht herumkommt – ich habe schon in einigen älteren Beiträgen darüber am Rande geschrieben und inzwischen spitzt sich die pandemische Lage immer mehr zu. Immer mehr verfestigen sich die Standpunkte da draußen, immer mehr abgegrenzte Lager bilden sich und scheinbar zieht sich ein Spalt die Gesellschaft. Möglicherweise (hoffentlich) ist das Bild mit der Spaltung übertrieben. Ich möchte gar nicht über einzelne Standpunkte, Meinungen oder Ängste schreiben – das tun gerade allzu viele Menschen, niemand möchte noch eine Meinung hören/lesen die am Ende auch nichts Neues beiträgt, sondern immer noch einen kleinen Keil in die gespaltene Welt hineintreibt.
Was mich schon seit Monaten umtreibt ist die Frage, warum nur ergeben sich in diesen pandemischen Themenbereichen so viele Emotionen? Eigentlich spricht doch alle Welt immer und gern über die Toleranz. Toleranz was Meinungen angeht, Religionen, Rassen, Herkünfte, Sprachen. Was auch immer. Im Großen und Ganzen klappt das scheinbar doch ganz gut – warum versagen wir jetzt gerade so kollektiv? Kaum „outet“ sich jemand mit seiner Meinung über die aktuelle Situation, schon wird er/sie praktisch von Menschen, die anders denken an die sprichwörtliche Wand gestellt. Ohne Nachfrage, ohne Verständnis, ohne Reflexion, dafür mit höchster Emotionalität und oftmals sehr lautstark.
Erschreckend ist aus meiner Sicht, dass sich das nicht nur in den sozialen Medien spiegelt, wo viele Menschen sich hinter der Anonymität verstecken und eine „dicke Lippe“ riskieren, nein, auch ganz banal auf der Straße, im Bus oder im Supermarkt ist das zu beobachten. Menschen fühlen sich scheinbar bei diesem Thema immer im Recht, so deutlich im Recht, dass keine andere Meinung gültig sein kann oder auch nur theoretisch gültig sein könnte, nicht mal teilweise.
Das Schlimmste für mich ist eigentlich, dass es mir selbst nicht so ganz anders geht. Auch ich werde furchtbar emotional in dieser Situation und bei diesen Themen. Immer dann wenn ich von Menschen höre/lese die etwas ganz anderes empfinden, anders denken und auch handeln. Ich werde wütend, bin fassungslos, bin bewertend, und so weiter. Warum? Was haben mir andere Menschen getan? Genau: nichts. Sie haben eine andere Meinung, vertrauen anderen Quellen, hören/lesen/sehen andere Nachrichten. Und haben andere Ängste. Aber das ist alles doch ok. Oder nicht? Wo ist sie, die so vielzierte Akzeptanz, oder wenigstens die Toleranz für etwas das ich weniger akzeptieren kann?
Ein wenig beruhigend könnte sein, dass es sehr vielen Menschen so geht. Der Ton in der Welt wird immer rauer, die Polaritäten werden immer größer. Jemandem Zuhören wird scheinbar immer unmöglicher. Das Verständnis füreinander auch.
Vor Monaten habe ich noch versucht, in Diskussionen zu vermitteln und um Verständnis für das Gegenüber zu werben. Wohlwissend wie schwer ich mich selbst damit tue. Außer der einen oder anderen blutigen Nase meinerseits hat das nichts gebracht und ich lasse das sein, ziehe mich oft eher zurück. Aber wenn das alle immer so machen, werden die Polaritäten nie geringer. Eigentlich geht es nur über gute Kommunikation. Wie so oft. Auf einander zugehen und zuhören. Das ist nun wahrlich kein neuer Gedanke, keine neue Erkenntnis. Die Frage ist halt, warum klappt das bei diesen Thematiken nicht?
Kann mir das mal jemand erklären?
Mütze (Kamelgeschichten Teil 24 1/2)
Eilmeldung am Abend:
Wie unschwer zu erkennen ist, ist die Frage des hiesigen diesjährigen Weihnachtskamels gefallen. Wie feiern Eulen eigentlich Weihnachten? Eher nachts? Ich bin gespannt.
Stilblüten – neulich in Hamburg (#2)
Für immer aufgeräumt vs. Der Bürocoach
oder
Die Ordnung im Chaos
Adventskamele (Kamelgeschichten Teil 24)
Wie schnell doch die Zeit verfliegt, es ist schon wieder Advent. Die besinnlichste Zeit des ganzen Jahres, so sagt man. Es ist aber auch die Zeit, wo viele Menschen zig zusätzliche Termine jeden Tag haben. Es scheint mir also relativ zu sein mit der Besinnung der Menschen, aber das ist durchaus keine neue Erkenntnis.
Bei den Kamelen aber ist es sehr ruhig geworden – die unspektakulär zu Ende gegangene Wahl vor wenigen Wochen hat scheinbar sehr viel Kraft gekostet. Theo sagt kein Wort mehr, ob er schläft oder wacht, vermag ich gerade nicht zu sagen. Ich weiß nicht einmal wie die Wahl eigentlich ausgegangen ist, ist Theo nun Präsident? Keine Ahnung, scheint aber auch nicht wichtig zu sein. Mitunter ist es ja das Brimbramborium als solches, um das es geht. Und davon gab es ja wahrlich genug! Soll er sich mal ordentlich ausruhen, der Theo, das hat er auf jeden Fall verdient.
Vor Kurzem kam die Kamelin Etepetete vom anderen Ende der Stadt zu Besuch. Allerdings nicht so wie man sich das vorstellt, also nicht dass sie an die Tür geklopft oder geklingelt hätte, nein. Sie saß plötzlich auf dem Sofa. Ohne Puff und Zisch, ohne Rauchwolken, einfach so. Ihr Wurmloch scheint also wieder gut zu funktionieren, wie geölt sozusagen. Zuerst dachte ich, Ete hätte eine falsche Abzweigung in Raum und Zeit genommen und würde, wenn sie ihren Irrtum bemerkt hätte, wieder verschwinden. Das tat sie aber nicht. Vielmehr steckte sie mit ihrem Bruder Pollux Köpfe und Hückel zusammen und sie tuschelten eine Weile, bevor sie gemeinsam in den Sombrero hüpften, in dem sich Etes Wurmloch befindet und: weg waren sie. Das alles dauerte kaum ein Minute.
Es ist überflüssig zu erwähnen, dass ich keine Ahnung habe, wohin die beiden unterwegs sind. Gestern kam dann eine Postkarte mit Pollux am Strand und einem Helm als Kopfbedeckung (siehe Bild). Wahrscheinlich ist es ein Strand auf einem sehr fernen Planeten, zu einer Zeit, in der die Menschheit auf der Erde noch nicht das Licht der Welt erblickt hat. Naja zumindest ist das möglich. Vielleicht sind die beiden aber auch am Strand ums Eck, oder sitzen vor einer Fototapete – wer weiß das schon?
Interessant ist natürlich Pollux‘ Helm, um Kopfbedeckungen jedweder Art ging es ja schon im letzten Kamelgeschichtenteil. Weshalb mir die Frage kommt, wer denn dieses Jahr Weihnachtskamel wird, ich erinnere den Leser an dieser Stelle an die so wichtige Weihnachtsmütze („Mütze!“ Wie die schlichte und wiederkehrende Aufforderung vom großen schwedischen Kamel Gustav ist). Normalerweise stritten bei mir Theo und Pollux vehement um den wichtigen Titel des amtierenden Weihnachtskamels, das geht schon seit vielen vielen Jahren so. Dieses Jahr ist ja sowieso alles anders in der Welt und nun auch noch das! Theo hängt wegen des anstrengendes Wahlkampfes in den Seilen und Pollux macht Strandurlaub auf Beteigeuze. Fällt Weihnachten dieses Jahr aus? Geht am Ende die Welt doch noch unter? Oder übernimmt ein anderes Kamel die Weihnachtsmütze in der Adventszeit? Wie ging eigentlich die Wahl aus? Wer trägt die Weihnachtsmütze im anderen Kameldomizil am entfernten Ende der Stadt? Warum trägt Pollux einen Blechhelm am Strand? Und an welchem Strand überhaupt? Fragen über Fragen. Wie so oft.
Ich bin aber auch guter Dinge: am Ende wird sich alles zurechtruckeln. Gestern Nacht hörte ich leise Weihnachtslieder in der Wohnung. Ich schlich in Richtung der schrägen Melodien und sah durch den Türspalt, dass die Kameldamen leise sangen. Klärchen, das Erdbeerkuchenkamel und die Eule Greta (ihres Zeichens Ehrenkamelöse). Letzteres gab auch den Ton an. Selbst Frau Mahlzahn miaute dazu.
Demnach wird die Weihnachtsmütze dieses Jahr wohl von einer Kamelin getragen werden! Das wird auch mal Zeit, emanzipiert sind sie zwar sowieso alle, aber nun werden endlich auch mal die Posten entsprechend verteilt. Wer es wohl werden wird? Wer wird Weihnachtskamelin? Müssen wir die Weihnachtsmütze noch größer (Greta) oder kleiner (Erdbeerkuchenkamel) nähen, damit sie passt? Wir werden es alle die nächsten Tage erfahren, es bleibt also spannend.
Von Grenzen und Übergängen
In der Welt kennen die Menschen immer auch Grenzen, vielleicht wird dabei sofort an territoriale Grenzen gedacht – in diesen pandemischen Zeiten gelten die auch im freien Europa wieder mehr und wir werden daran erinnert, dass auch unser so freies Land in mehr oder weniger engen Grenzen lebt, bzw. dass diese Grenzen durchaus noch existieren. Viele von uns scheint dieser Umstand zu überraschen. Trotzdem leben wir ja nach wie vor in einer großen Freiheit, wenn wir das mal historisch betrachten – und doch ist es gut und wichtig, aufzumerken und zu bemerken dass sich momentan etwas verändert. Gerade in unserem Land mit eben der Geschichte, die wir mit uns tragen. Die Zeiten sind aber andere als vor 80-100 Jahren, das sollten wir nicht vergessen.
Grenzen erleben wir aber auch in uns selbst – und solche Begrenzungen sind vielleicht viel verheerender. Vielleicht müssen wir die innere Freiheit noch lernen? Dann würden äußere Begrenzungen eventuell gar keine so große Rolle spielen, solange wir grundsätzlich frei bleiben im Sinne des Freiheitsgedankens unseres Grundgesetzes. Aber ich glaube, so einfach ist das mit der inneren Freiheit nicht getan.
Innere Grenzen sind ja auch sehr wichtig für unser Selbst, für unser Sein. Wir grenzen uns von Dingen, Gedanken und auch anderen Menschen gern ab. Wir lernen, Grenzen zu setzen, um unser eigenes Leben selbstbestimmt leben zu können. Wir brauchen diese Grenzen, um uns selbst zu entdecken. Um zu unserem Kern vorzudringen und dabei sicher sein zu können, dass dieser Kern nicht von Schatten und Facetten verdeckt wird, die nicht zu uns gehören. Das dürfte oft ein längerer Prozess sein, denn es gilt ja auch, seine eigenen Schatten wieder in den Kern zu integrieren und seine eigenen Verletzungen zu heilen. Eigene Schatten zu identifizieren, Schattenarbeit zu betreiben ist kein allzu leichtes Unterfangen. Für manche von uns ist das viel Arbeit, Arbeit die sich aber immer lohnen dürfte. Denn je mehr wir uns unserem Kern nähern und ihn akzeptieren, desto mehr können wir die Grenzen die wir gesetzt haben, wieder erweitern und auflösen. Eben weil wir sie nicht mehr brauchen, weil wir uns selbst kennen.
Diese selbst gesetzten Grenzen wieder zu weiten ist auch keine leichte Aufgabe, es bedeutet, wieder offener zu sein, wieder mehr zu vertrauen. Dabei müssen wir immer wieder an diese Grenzen an-stoßen, um sie zu bemerken – nur dann können wir sie verändern. Ansonsten bleiben wir in unserer Komfortzone. Das ist natürlich auch in Ordnung, Komfort ist ja nichts schlechtes – aber wenn wir Sehnsüchte haben, uns verändern wollen, dann müssen wir uns hinaus wagen. Hinaus aus der Komfortzone, hinein in die Lernzone! Das ist dann wahre (Selbst)Entwicklung.
Manchmal brauchen wir dafür Impulse von Aussen. Es kommen zum Beispiel Menschen in unser Leben, die uns unsere Grenzen bemerken lassen. Dafür können wir eigentlich nur dankbar sein, denn es macht Prozesse einfacher und vielleicht nähern wir uns dabei unserer eigenen Sehnsucht.
Das Spannende ist, dass Be- und Entgrenzung wohl niemals abgeschlossene Prozesse sein werden, sie laufen parallel und sind fortwährend. Alles ist nicht nur Entwicklung, alles ist eben auch Veränderung. Das kann eine bedeutende Antriebsfeder im Leben von uns Menschen sein.
Man könnte sich eine Grenze auch als einen Übergang vorstellen, um nicht an Stacheldraht und Gefahr zu denken. Ein Übergang kann auch einer von einem Land zu einem anderen sein – oder von Land und Erde zu Wasser und Meer. Von Tag zu Nacht. Von heute zu Morgen. Der Übergang vom Schlaf zum Wachsein wäre dann das Aufwachen. Oft sind das ganz besondere Momente, die wir in diesen Übergängen, diesen Grenzübertritten erleben. Das gilt ganz sicher auch für innere Prozesse, auch wenn wir das eventuell erst hinterher bemerken, da solche Prozesse mitunter auch schmerzlich sein können.
Vielleicht passen all diese Gedanken auch zu den äußeren Grenzen (und Übergängen), die oben beschrieben sind. Auch diese Be-Grenzungen ändern sich immer und ständig, gerade in diesen Zeiten ist das deutlich spürbar. Auch hier finden Veränderungen statt, immer und zu jeder Zeit, mal mehr und mal weniger. Und zu guter Letzt korrelieren diese verschiedenen „Arten“ der Grenzen auch miteinander, was es zu sehr komplexen Thematiken werden lässt. Einmal begonnen lassen sich diese Prozesse aber kaum wieder stoppen.
Ich stelle mir gerade vor, ich wäre in einem inneren Prozess der Grenzerweiterung – mitten in einem Übergang, sozusagen mitten in der inneren „Blauen Stunde“ – so lässt sich Veränderung auch einfach mal genießen.
(Bild: FB „Black Room“)
Sucht
Jeder kennt sie, alle wissen etwas über sie, die meisten haben sie selbst: die Sucht.
Man kann nach allem wahrlich süchtig werden, nach Kaffee, nach einem Drink, nach Anerkennung. Man verbindet die Sucht sofort mit dem Wort Abhängigkeit. Man denkt an Genuß- und Rauschmittel. Natürlich ist das Wort in erster Linie negativ besetzt. Also bei mir ist das wenigstens so – aber ich komme, wie so viele andere Menschen auch, aus einer Suchtfamilie. Oft wird behauptet, dass es sogar ein Suchtgen gibt, das über die Generationen weitergegeben wird. Vielleicht ist es (auch?) so, dass vor Allem Verhaltensweisen an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden, ganz schlicht durch das Vorleben von Gewohnheiten, die auch Süchte, das Suchtverhalten beinhaltet. Das ist ein sehr naheliegender, verständlicher und nachvollziehbarer Gedanke. Ich frage mich, ob das jeder Mensch so leicht nachvollziehen kann, oder das etwas mit der eigenen Familiengeschichte zu tun hat?
Es gibt so viele Formen und Arten von Süchten, stoffliche und nichtstoffliche. Menschen können genauso von Drogen abhängig sein, wie von Verhaltensmustern. Internet-, Kauf-, Sex- oder Esssucht wären hier Beispiele. Esssüchte sind eh ein ganz spezielles Thema – bei den meisten Süchten lässt man den Suchtstoff einfach mal weg – beim Essen geht das nicht, da heißt es, einen gesunden Umgang zu entwickeln. Ganz bestimmt nicht einfach.
Als Definition lese ich gerade: wenn das Verlangen die Vernunft besiegt. Das ist Sucht.
Spannend. Das passiert mir sehr oft, schon wenn ich eine Tafel Schokolade öffne, weiß ich, dass ich sie aufessen werde, weil ich nicht aufhören kann. Bin ich deswegen süchtig? Natürlich bin ich süchtig. Gerade im Moment bin ich mitunter ein wenig Sehn-Süchtig! Sehnsucht kann ganz bestimmt (und das weiß ich aus leidvoller Erfahrung) an die eigene Substanz gehen, wenn sie zu lange anhält. Manchmal ist die Sehnsucht aber etwas tolles – wenn man sich nach etwas oder jemandem sehnt und dabei weiß, dass diese Sehnsucht „bald“ erfüllt werden wird. Dann ist es ein warmes Gefühl, eines das Leichtigkeit schafft. In dem Wort Sucht steckt ja auch eine Suche drin – ich suche etwas, das mich erfüllt. Insofern wäre die Schokolade als Beispiel nur eine Ersatzbefriedigung für das, was ich wirklich suche, mir wirklich wünsche. Kann man nach Schokolade Sehnsüchte entwickeln? Wohl kaum. Erfüllung finden wir Menschen in unterschiedlichen Dingen – und das sind meist keinesfalls materielle Dinge. Es kann die Stille sein, die Verbundenheit. Die Liebe. Lust und Leichtigkeit. Eben die Sucht nach dem Leben, nach dem was im Leben wirklich zählt. Lebenssucht oder doch Liebessucht?
Lasst uns also leben und lieben!
Trotzdem darf ich auf gar keinen Fall vergessen, nachher eine gute Schokolade zu besorgen.
Wahl- und Akademikermützen (Kamelnachrichten #23)
Es ist nun also Wahltag. Große Aufregung unter allen Kamelen und Ehrenkamelen, es werden Wahlurnen geleert, Stimmen gezählt, Briefwahlunterlagen ausgewertet und so fort. Vor ein paar wenigen Tagen habe ich mal einen Wahlzettel gesehen, er besteht aus einem abgerissenen kleinen Papierfetzen mit genau einem Kästchen, das man ankreuzen MUSS, ansonsten ist die Stimme ungültig. Sonst steht da nix drauf. Ich frage mich, wer eigentlich wahlberechtigt ist, ich bin es auf jeden Fall nicht. Ich frage mich vieles in diesem Kontext und weiß…ganz genau, ich weiß nix. Das macht aber auch nix.
Theo hat sich schon aufgeplustert und seinen Wahlsieg verkündet – zumindest habe ich das aus dritter Hand gehört, Theo selbst ist vor lauter Aufregung längst eingeschlafen. Eigentlich schläft er seit Tagen, weil er ein wenig erkältet ist. Wenn der sprichwörtliche Männerschnupfen schlimm ist, dann ist ein Kamelschnupfen katastrophal, dem Weltuntergang gleichgesetzt. Pollux ist schön geflüchtet, er möchte sich nicht anstecken und sitzt mit Klärchen und dem Erdbeerkuchenkamel in der Küche herum, nahe den Schoki- und Kuchenvorräten. Die Eule Greta, Theos erste (und einzige) Wahlkämpferin, lackiert sich die Fußnägel und ist ein wenig trantütig unterwegs heute, sie ist ja eine Nachteule und war bis zum Morgengrauen bei einem nächtlichen Tanztee unterwegs. Was aber ist nun mit dieser Wahl? Kandidiert Theo für das Präsidentenamt am Kaffeetisch? Geht es hier nur um eine feudale Wahlparty, für die ich schon seit vielen Tagen ständig wachsende Kuchenlisten bekomme?
Die einzige im Haus, die sich so gar nicht um das Wahlgeschehen kümmert, ist die Katze Mausi. Sie versteckt sich gern unter der Decke, um dem bunten Kameltreiben zu entkommen. Indes hat sie zum ungefähr siebten Mal in wenigen Tagen den Schlafplatz gewechselt und ist meistens die Ruhe selbst – neulich war sie sogar mal eine ganze Nacht allein und hat das bravourös gemeistert!
Was auf jeden Fall bald ansteht, ist die Wahl des hiesigen Weihnachtskamels für dieses Jahr. Ich nehme an, das Brimbamborium wird dann noch viel größer sein als jetzt – schließlich geht es dann wirklich um etwas. Es ist weniger der Titel, als das (zweifelhafte?) Privileg, die Weihnachtsmütze tragen zu dürfen. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass sich die Eule Greta auch um dieses Amt bemühen wird – auch wenn ihr die Mütze nicht einmal passen wird.
Mitten in dieses große Thema ereilte mich neulich die Nachricht, dass Etes Hirn wieder intakt und an Ort und Stelle ist – ich berichtete mal darüber, dass jemand vom anderen Ende der Stadt wichtige und überaus schlaue Aufsätze zu schreiben hatte. Die sind jetzt fertig und als Lohn gab es ein Akademikerhütchen, welches sich Humphrey direkt unter den Nagel gerissen hat. Fred ist nun also das allerakademischste Kamel von allen. Was Ete dazu sagt, weiß ich nicht, sie ist schließlich die Einzige mit echtem Gehirn. Von Vorteil könnte sein, dass sich Humphrey entsprechend des Akademikerhutes nicht an der Wahl zum Weihnachtsmützen tragenden Weihnachtskamel beteiligen wird. Sicher bin ich mir da allerdings nicht. „Mütze!“ ist übrigens das einzig deutsche Wort, das das schwedische Kamel Gustav beherrscht. Man gut, dass ich das gerade nicht immerzu hören muss.
Ich glaube, ich geh mal einkaufen. Die Backzutaten für die ausschweifende Wahlparty wollen besorgt werden. Wer auch immer die Wahl gewinnt, ich drücke Theo die Daumen, es gibt auf jeden Fall schlimmere Wahlsieger mit viel komischeren Mützen. Es könnte also ein düsterer Wahltag werden.
Die Katze
Es gibt so viele Katzen auf der Welt…und ausgerechnet bei mir Zuhause lebt die schönste!

