Von Meinungen und Emotionen

Es ist ja ein ganz aktuelles, sehr brisantes Thema, um das man nicht herumkommt – ich habe schon in einigen älteren Beiträgen darüber am Rande geschrieben und inzwischen spitzt sich die pandemische Lage immer mehr zu. Immer mehr verfestigen sich die Standpunkte da draußen, immer mehr abgegrenzte Lager bilden sich und scheinbar zieht sich ein Spalt die Gesellschaft. Möglicherweise (hoffentlich) ist das Bild mit der Spaltung übertrieben. Ich möchte gar nicht über einzelne Standpunkte, Meinungen oder Ängste schreiben – das tun gerade allzu viele Menschen, niemand möchte noch eine Meinung hören/lesen die am Ende auch nichts Neues beiträgt, sondern immer noch einen kleinen Keil in die gespaltene Welt hineintreibt.

Was mich schon seit Monaten umtreibt ist die Frage, warum nur ergeben sich in diesen pandemischen Themenbereichen so viele Emotionen? Eigentlich spricht doch alle Welt immer und gern über die Toleranz. Toleranz was Meinungen angeht, Religionen, Rassen, Herkünfte, Sprachen. Was auch immer. Im Großen und Ganzen klappt das scheinbar doch ganz gut – warum versagen wir jetzt gerade so kollektiv? Kaum „outet“ sich jemand mit seiner Meinung über die aktuelle Situation, schon wird er/sie praktisch von Menschen, die anders denken an die sprichwörtliche Wand gestellt. Ohne Nachfrage, ohne Verständnis, ohne Reflexion, dafür mit höchster Emotionalität und oftmals sehr lautstark.
Erschreckend ist aus meiner Sicht, dass sich das nicht nur in den sozialen Medien spiegelt, wo viele Menschen sich hinter der Anonymität verstecken und eine „dicke Lippe“ riskieren, nein, auch ganz banal auf der Straße, im Bus oder im Supermarkt ist das zu beobachten. Menschen fühlen sich scheinbar bei diesem Thema immer im Recht, so deutlich im Recht, dass keine andere Meinung gültig sein kann oder auch nur theoretisch gültig sein könnte, nicht mal teilweise.

Das Schlimmste für mich ist eigentlich, dass es mir selbst nicht so ganz anders geht. Auch ich werde furchtbar emotional in dieser Situation und bei diesen Themen. Immer dann wenn ich von Menschen höre/lese die etwas ganz anderes empfinden, anders denken und auch handeln. Ich werde wütend, bin fassungslos, bin bewertend, und so weiter. Warum? Was haben mir andere Menschen getan? Genau: nichts. Sie haben eine andere Meinung,  vertrauen anderen Quellen, hören/lesen/sehen andere Nachrichten. Und haben andere Ängste. Aber das ist alles doch ok. Oder nicht? Wo ist sie, die so vielzierte Akzeptanz, oder wenigstens die Toleranz für etwas das ich weniger akzeptieren kann?
Ein wenig beruhigend könnte sein, dass es sehr vielen Menschen so geht. Der Ton in der Welt wird immer rauer, die Polaritäten werden immer größer. Jemandem Zuhören wird scheinbar immer unmöglicher. Das Verständnis füreinander auch.

Vor Monaten habe ich noch versucht, in Diskussionen zu vermitteln und um Verständnis für das Gegenüber zu werben. Wohlwissend wie schwer ich mich selbst damit tue. Außer der einen oder anderen blutigen Nase meinerseits hat das nichts gebracht und ich lasse das sein, ziehe mich oft eher zurück. Aber wenn das alle immer so machen, werden die Polaritäten nie geringer. Eigentlich geht es nur über gute Kommunikation. Wie so oft. Auf einander zugehen und zuhören. Das ist nun wahrlich kein neuer Gedanke, keine neue Erkenntnis. Die Frage ist halt, warum klappt das bei diesen Thematiken nicht?

Kann mir das mal jemand erklären?

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