Wenn jemand eine Reise macht, dann kann er was erleben. Das ist auch so, wenn man mir der deutschen Bahn unterwegs ist. Zuerst einmal will ich gar nicht meckern über Verspätungen, Zugausfälle oder was einem da sonst sofort in den Kopf schießt. Für Reisende, die es mögen, in Ruhe ein Buch zu lesen, oder einfach ohne Störung die Landschaft an sich vorbeiziehen zu lassen, sind extra Abteile zur Verfügung gestellt worden: Ruhebereiche. So hat so ein ICE elf oder zwölf Wagen, zumindest in dem Zug, in dem ich gerade sitze. Zweimal erste Klasse, ein Speisewagen, ein Handyabteil und eben einmal den Ruhebereich-Wagen. Da bleiben also sieben „normale“ Wagen. Nach Adam Riese. Zudem ist der Ruhebereich immer ganz am Anfang oder ganz am Ende des Zuges angesiedelt, bei einer Zuglänge von mehreren hundert Metern ist man ganz schön unterwegs am Bahnsteig, man muss das also wirklich wollen! Ich frage mich als häufiger Ruhebereichs-Fahrgast, wieso eigentlich fast immer Familien mit kleinen Kindern an den Tischplätzen sitzen? Oder Menschen die sich die ganze Zeit einigermaßen laut unterhalten? Machen die das mit Absicht, um andere zu ärgern? Möglicherweise sind diese Abteile ja leerer als die „normalen“, das müsste ich mal herausbekommen. Neulich spielte zum Beispiel eine Familie mit zwei Kindern Mensch-Ärgere-Dich-Nicht, lauthals natürlich, weil sich Ja doch alle geärgert, bzw. über den Ärger des anderen gefreut haben. Irgendjemand im Abteil wagte es nicht, die Familie anzusprechen und auf das Wort Ruhe in der Bezeichnung Ruhebereich hinzuweisen. Augenscheinlich waren vorher 80% der Mitfahrer von den Krach genervt, aber der arme Mensch, der das freundlich monierte, war allein auf weiter Flur. Die Familie war zwar einigermaßen einsichtig, aber zwei kleine Kinder können nicht stundenrund ruhig sein, wer konnte das als Kind schon? Aber wieso buchen erwachsene Menschen mit Kindern Plätze im Ruhebereich? Ein anderes Mal wurde jemand der freundlich um Ruhe bat, regelrecht angeböbelt. Tenor war, dass Züge in anderen Ländern schließlich auch voll und laut seien, beispielsweise in Indien, das wäre dann ja typisch deutsch! Indien ist schon auch ein großartiges Beispiel, wenn man durch Deutschland Zug fährt, finde ich ich. Abgesehen davon: was heißt eigentlich „typisch deutsch“? Und warum stehen da so wenige Menschen zu? Manchmal erscheint es mir wie ein Makel, den man hat, deutsch sein. Eigentlich kann man das doch wertfrei nehmen und sich daran erfreuen, dass es in deutschen Zügen Angebote wie Ruhebereiche gibt, und vielleicht kann man Mitreisende auch darauf hinweisen, der Ton macht natürlich die Musik und nicht ständig muss man andere zurechtweisen, das keinesfalls, ein wenig Laisser-faire können wir uns ja auch abschauen von anderen Völkern. Aber manchmal gehört es auch dazu, sich zu äußern, das ist ja nicht nur in eigentlich belanglosen Situationen wichtig, hier kann man sich vielleicht mal darin üben, seine Meinung zu vertreten oder seine Befindlichkeiten, das ist allemal besser als sich still zu ärgern. Gedankenpause. Jetzt kam gerade ein freundlicher Mensch mit einem Bauchladen vorbei (möglicherweise ein Inder?) und brachte einen heißen Kaffee. Ich schlürfe daran, das Abteil ist voll und ….ruhig. Eine Brottüte knistert, zwei Menschen tuscheln leise. Geht doch!