Ein sehr schöner Text, leider nicht meiner: Er betrat die Mole, an deren ins offene Meer hinein ragendem Ende ein kleiner, von einem rostigen Gitter bekränzter Leuchtturm stand. Er ging darauf zu. Es war jene Stunde zwischen Hund und Wolf oder vielmehr zwischen Schwalbe und Fledermaus, die Stunde, in der sich beide in der Luft begegnen, die eine geht schlafen, die andere wacht auf, die Lichter sind schon entzündet, aber der Himmel ist noch hell, und die Sterne liegen noch tief in ihm verborgen. Und es begab sich, jawohl, es begab sich, dass zu dieser Stunde und an dieser Stelle des Horizonts das dunstige Silberblau des Himmels und des Meeres fugenlos ineinanderflossen und nicht mehr zu unterscheiden waren. Die Mole führte geradewegs in diese graublaue Tiefe hinein, und bei jedem neuen Schritt war es ihm, als stiege er eine Himmelsleiter empor, aber er erblickte keine Engel und auch keinen Gottvater, stattdessen weiterhin den Leuchtturm, dessen einst weiß getünchte Mauern sich hell von dem Meereshimmel abhoben wie auf einem alten Porträt das rissige, matte Weiß eines Brusttuchs von einem blassblauen Kleid, und dessen Spitze jetzt wie ein Gestirn zu leuchten begann. Wo der nur bei Ebbe frei liegende Leuchtturmsockel im Boden verankert war, erblickte der Spaziergänger den Betonwall, den man zur zusätzlichen Befestigung schlangenlinienförmig um das Fundament gegossen hatte. Mit jeder zurückflutenden Welle wurde die von weißem Schaum ins schlürfende Wasser gezeichnete Schlangenlinie einen Atemzug lang sichtbar. Der Leuchtturm bleckte die Zähne, wie um das Meer in Schach zu halten. Am Fuße des Leuchtturms war das Wasser fast schwarz. (Aus: Tal der Herrlichkeiten von Anne Weber)