Gockel

Woran liegt es eigentlich, dass Männer so oft anfangen zu gockeln, sobald eine attraktive Frau die sicht- oder unsichtbare Bühne betritt? Nun, eigentlich ist die Frage rhetorisch. Man(n) möchte gefallen, oft um jeden Preis. Das Lächeln wird einen Tick deutlicher, die Zähne blitzen ein Stück mehr zwischen den sonst vielleicht zusammengekniffenen Lippen. Die Augen strahlen, der Rücken strafft sich, die Schultern scheinen breiter zu werden. Die Stimme wird mal heller, mal dunkler. Mann lacht mehr, kokettiert, redet mehr und spricht auch mehr vermeintlich gefällige Themen an. Er gockelt. Mann wird zum eitlen Pfau. Natürlich versuchen wir Männer dabei auch, andere anwesende Männer zu übertrumpfen. Wir machen sie mit Worten kleiner, erheben uns über sie, stechen sie aus, gern auch mit einer Portion Überheblichkeit und Arroganz. 

Wahrscheinlich ist das ein Programm, das wir tief in unseren Genen tragen. Fehlt wohl nur noch, dass wir das Objekt der Begierde an den Haaren in unsere Höhle schleifen. 

Für den Begriff „Objekt der Begierde“ wird Mann allerdings heutzutage gesteinigt, zumindest wenn es sich dabei um eine Frau handelt. 

Klar ist, niemand schleift jemanden ungefragt und gegen deren Willen irgendwohin. Das alte Programm spielt sich trotzdem ab. Und die Frau? Genießt sie es? Ist sie eher genervt und ignoriert es? Keine Ahnung, ich bin keine Frau. Aber ich würde das gern wissen. 

Spannend auf jeden Fall, so ein Gegockel zu beobachten. Ich erinnere an eine Situation vor einigen Jahrzehnten: viele Männer unter sich, an einem großen Tisch in einer Kneipe sitzend. Ausgelassen lachend, eine freundschaftliche Atmosphäre. Plötzlich: eine schöne junge Frau betritt den Raum. Alles ist anders. Gockel hier und Pfaue dort. Konkurrenzkampf mit Worten und Blicken, Testosteron schwängert die Luft. Ich erinnere mich nicht mehr, was dann passierte. Ich war fasziniert und erschrocken zugleich. 

Jetzt, viele Jahre später, eine ganz andere Situation in viel kleinerem und intimeren Rahmen mit sehr reflektierten Menschen: dasselbe gockeln, sich aufspielen….und wieder bin ich erschrocken, überrumpelt und auch etwas wütend, dass sich da jemand so über andere erhebt, nur weil er gefallen will. Bin ich da eifersüchtig? Vielleicht auch das. Ein wenig Fremdscham ist mit dabei – und doch: das genetische Programm funktioniert. Auch wenn es meist nicht zum Ziel führt. 

Mal sehen, wie das in weiteren Jahrzehnten ist, wenn ich hoffentlich greisenhaft mit nicht minder greisen Menschen zusammen bin. Bestimmt gockeln wir Männer dann noch immer!